Ankara - Der deutsche Außenminister Guido Westerwelle (FDP) hat die Türkei bei seinem Antrittsbesuch in Ankara am Donnerstag zu weiteren Reformen im Bemühen um einen EU-Beitritt aufgerufen. Westerwelle verneinte unter Bezug auf den Koalitionsvertrag mit CDU und CSU, dass die Bundesregierung eine Mitgliedschaft der Türkei in der Europäischen Union blockieren wolle. Deutschland sei ein "zuverlässiger Vertragspartner", betonte der Außenminister.
Der türkischen Regierung, dem Parlament und der türkischen Zivilgesellschaft wolle er seinen Respekt und seine "ausdrückliche Anerkennung für das bis heute Geleistete aussprechen", sagte Westerwelle bei einer Konferenz mit türkischen Botschaftern in Ankara. "Ich möchte Sie ermutigen, damit fortzufahren." Sein türkischer Kollege Ahmet Davutoglu unterstrich, Ankara wünsche vertiefte Handelsbeziehungen sowie stärkere Sicherheits-Zusammenarbeit. "Und natürlich wollen wir alle erforderlichen Reformen für die EU erfüllen", fügte Davutoglu hinzu.
Der von Ankara angestrebte EU-Beitritt kam bei Westerwelles Besuch wiederholt zur Sprache und wurde vom deutschen Außenminister auch offen angesprochen. Manche hätten die Frage gestellt, ob die neue Regierung in Berlin "die Tür zu einer Mitgliedschaft der Türkei schließen will", sagte Westerwelle. "Ich sage es Ihnen ganz klar: Was die EU und die Türkei vereinbart haben, gilt. Es gilt auch für diese Bundesregierung. Dafür stehe ich ein." Auf Nachfragen von Journalisten erklärte Westerwelle: "Ich bin hier nicht als Tourist in kurzer Hose unterwegs - ich bin der deutsche Außenminister, und was ich sage, zählt."
Westerwelle verwies darauf, dass sich die Unions-Parteien und die FDP darauf geeinigt hatten, im Koalitionsvertrag die Formulierung aus dem Vertrag der großen Koalition zu übernehmen, wonach es eine "ergebnisoffene" Prüfung der EU-Beitrittsabsichten der Türkei geben soll. Die 2005 eröffneten Verhandlungen mit der EU kommen jedoch nur sehr schleppend voran. Bisher wurden erst zwölf der 35 Kapitel der Verhandlungen eröffnet - und nur eins abgeschlossen.
In seiner Rede vor den türkischen Diplomaten machte Westerwelle deutlich, dass er die Türkei gegenwärtig noch nicht für EU-reif hält. "Wir alle wissen, dass Meinungs-, Presse- und Religionsfreiheit tragende Säulen unserer europäischen Wertegemeinschaft sind." Das "Reformwerk der Türkei auf ihrem Weg nach Europa" sei "noch unvollendet". "Ich möchte Sie ermutigen, damit fortzufahren."
Westerwelle wies zudem darauf hin, dass die Türkei bisher noch nicht der Forderung nach Grenzöffnung zu Zypern nachgekommen sei. Zugleich würdigte er die Bemühungen um eine Normalisierung der Beziehungen zu Armenien. Zudem bescheinigte er der Türkei, sie habe eine "Schlüsselposition" im Bemühen um eine Beilegung der Spannungen im Irak, im Libanon, in Afghanistan und Pakistan.
Westerwelle war am Mittwoch in Ankara eingetroffen. Nach einer Rede vor türkischen Botschaftern und dem Treffen mit Davutoglu, bei dem es auch um die Lage in Afghanistan und im Iran ging, war am Donnerstag ein Treffen mit Ministerpräsident Recep Tayyip Erdogan und weiteren Regierungsmitgliedern geplant. Ein zunächst ebenfalls vorgesehenes Gespräch mit Präsident Abdullah Gül wurde von diesem aus gesundheitlichen Gründen abgesagt.
Westerwelle wurde bei seinem Besuch in der Türkei von einer Wirtschaftsdelegation begleitet. Der Handelsaustausch zwischen der Türkei und Deutschland belief sich im Jahr 2008 auf 25 Milliarden Euro, 3900 deutsche Unternehmen haben sich in der Türkei niedergelassen. In Wildbad Kreuth forderte CSU-Generalsekretär Alexander Dobrindt am Donnerstag Westerwelle auf, der Türkei während seines Besuches keine Versprechungen für einen EU-Beitritt zu machen. "Ich kann ihm nur raten, mit der Türkei nicht wieder Geheimabsprachen wie in Polen zu treffen, wo wir dann nachher in der Koalition wochenlang die Scherben zusammenkehren müssen", sagte Dobrindt.
Der Besuch in Ankara ist der Auftakt für Westerwelles bisher längste Auslandsreise. Am Freitag hält er sich in Istanbul auf, einer von Europas Kulturhauptstädten 2010. Anschließend reist er nach Saudi-Arabien und andere Golfstaaten weiter. Erst am Montag kehrt er nach Berlin zurück. (APA/AFP)