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Marktkritiker Philippe Séguin.

Foto: Reuters/Charles Platiau

Wien/Paris - Seine Wutanfälle waren legendär, sein Intellekt und bärbeißiger Charme nicht weniger: Philippe Séguin, ehemaliger Chef der französischen Konservativen, Parlamentspräsident und lauter "Neoliberalismus" -Kritiker, starb in der Nacht auf Donnerstag in Paris im Alter von 66 Jahren an den Folgen eines Herzinfarkts.

Plantu, der Karikaturist von Le Monde, führte den schwergewichtigen Séguin als römischen Zenturio mit dicken Tränensäcken vor, einen freundlichen Despoten, der sich im dekadenten Paris der Sozialisten und der Diadochenkämpfe der Rechten Anfang der 1990er-Jahre seinen Teil der Macht zu sichern versuchte.

Séguin verspielte seine Chancen und gewann doch am Ende: Seine Politik - eine Mischung aus zentralistischem Staatsdenken, linkem Populismus und "Law and order" -Gesinnung - hat Einzug im Élysée-Palast gefunden. Séguin hatte am Thema der Heilung des "sozialen Bruchs" in Frankreich mitgebastelt, mit dem der Gaullist Jacques Chirac 1995 seinen ersten Präsidentschaftswahlkampf gewann. Séguins langjähriger Gehilfe Henri Guaino gilt als der einflussreichste Berater von Nicolas Sarkozy.

Ähnlich wie der heutige Staatspräsident sprang Séguin stets ein, wenn es der gaullistischen Partei schlechtging. 1992 wurde er der Wortführer der Gegner des Maastricht-Vertrags; nur knapp erhielt der damalige Staatschef François Mitterrand beim Referendum das Ja der Franzosen zur gemeinsamen Währung. Als Parlamentspräsident (1993-1997) brandmarkte Séguin weiter das "Einheitsdenken" - "la pensée unique" - der Neoliberalen. 1999 warf er verärgert Parteivorsitz und Spitzenkandidatur für das EU-Parlament hin und wurde mit einem Präsidentenposten beim Rechnungshof abgefunden. (mab, DER STANDARD, Printausgabe 8.1.2010)