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Gespannte Stimmung in Kroatien: Ein Entschärfungsspezialist inspiziert ein Auto mit Benzinkanistern vor der deutschen Botschaft in Zagreb. 2008 wurde ein Journalist mit einer Autobombe ermordet.

Foto: Reuters/Stringer

Die Kroaten sind aber vor allem mit der Krise der Regierungspartei HDZ nach der Rückkehr Ivo Sanaders beschäftigt.

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Zagreb - "Kein Englisch, nur Kroatisch!" Ausländische Journalisten, die mit ihm sprechen wollen, macht Milan Bandić barsch auf die Spielregeln aufmerksam. Den Makel, keine Fremdsprachen zu sprechen, hat er zum Markenzeichen gemacht. Die Kroaten treffen am Sonntag bei der Präsidentenwahl eine Richtungsentscheidung: Wollen sie einen kultivierten Botschafter für ihr Land, der in Europa und der ganzen Welt gut ankommt? Oder einen Volkstribun, der aufpasst, dass die Politiker die Interessen der Kroaten nicht ans Ausland verkaufen?

Ivo Josipović, Professor für Strafprozessrecht und ein bekannter Komponist, passt perfekt auf jeden EU-Gipfel. Bandić dagegen fühlt sich wohl in den grauen Vorstädten von Zagreb und den elenden Kleinstädten Slawoniens oder der Herzegowina. Mit links und rechts hat die Kontroverse wenig zu tun. Der bürgerliche Josipović tritt für die Sozialdemokraten an, dieselbe Partei, aus der Bandić wegen seiner Kandidatur ausgeschlossen wurde.

Billige Bandić-Wohnungen

Bandić ist seit zehn Jahren Bürgermeister von Zagreb. Mit billigen "Bandić-Wohnungen" und neuen Straßenbahnen eroberte er die Vorstädte. In Kroatien sind es sonst eher die Bessergestellten, die links wählen. Gerade darum war Bandić für die Sozialdemokraten so wichtig: Er band ein Potenzial, zu dem sie schwer Zugang fanden. Lange nahm die Partei deshalb die Affären ihres Kandidaten in Kauf: Eine Alkoholfahrt mit anschließender Polizistenbestechung oder seinen Spruch über Frauen, die "nur mal richtig rangenommen werden wollen" .

Aus dem ersten Wahlgang trennen Josipović und Bandić fast 20 Prozentpunkte. Inzwischen hat sich fast die gesamte kulturelle und wirtschaftliche Elite für Josipović ausgesprochen. Bei seiner Aufholjagd setzt Bandić auf die Abneigung des Volkes gegen die Elite. Und so chancenlos ist Bandić nicht. "Die Umfragen sind ziemlich primitiv" , sagt Josip Kregar, Dekan der Jura-Fakultät: "Sie gehen nach dem Telefonbuch. Bandićs Wähler haben aber keinen Festnetzanschluss."

Mehr Aufsehen als der Wahlkampf erregt in diesen Tagen Ex-Regierungschef Ivo Sanader. Nach seinem überraschenden Rückzug aus der Politik vor einem halben Jahr hatte er sich am Sonntag zurückgemeldet und war tags drauf auf Betreiben seiner Nachfolgerin Jadranka Kosor aus seiner Partei HDZ ausgeschlossen worden. Jetzt versucht Sanader, Abgeordnete der Partei auf seine Seite zu ziehen. Für Kosor eine schwierige Lage: Einigt sie sich mit Sanader, verliert sie ihre Koalitionspartner. Bleibt sie auf Konfrontation, droht ihr die Partei zu zerbröckeln. (Norbert Mappes-Niediek, DER STANDARD, Printausgabe 8.1.2010)