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Das Verhältnis zwischen Medienzar Aydin Dogan (li.) und Premier Tayyip Erdogan (re.) ist offenbar irreparabel.

Foto: AP/Murad Sezer

Es scheint wie ein letzter Versuch, zu retten, was zu retten ist. Der von der türkischen Finanzverwaltung mit exorbitanten Steuerstrafen bedrohte Zeitungs- und TV Konzern "Dogan Medien" hat zum Jahreswechsel sein Führungspersonal ausgetauscht. Aydin Dogan, der bislang mächtigste Medien-Mogul des Landes ist als Vorstandsvorsitzender zurückgetreten. Und der einflussreichste Chefredakteur der Türkei, Ertugrul Özkök räumte nach 20 Jahren seinen Posten als Chefredakteur von Hürriyet.

Özkök hat in den letzten 20 Jahren nicht nur die Position von Hürriyet als Leitmedium erfolgreich verteidigt, er hat auch mit seinem Boss einträglich zusammengearbeitet. Schließlich besitzt Dogan nicht nur die wichtigsten Medien, er ist auch im Öl- und Immobiliengeschäft vielfältig involviert. Doch seit die vom Finanzministerium dirigierte Steuerbehörde von der Dogan-Holding aus offenbar politisch motivierten Gründen insgesamt mehr als zwei Milliarden Euro angeblicher Steuerschulden fordert, ist das gesamte Imperium bedroht.

Die Auseinandersetzung zwischen den säkularen Dogan-Medien und der islamisch grundierten Regierung eskaliert. Die Dogan-Medien sind zuverlässig zur Stelle, wenn es darum geht, tatsächliche oder vermeintliche Islamisierungstendenzen anzuprangern, die Regierungsseite wirft ihnen dagegen vor, mit möglichen Putschisten zu sympathisieren.

Korruption in der Regierung

Als Hürriyet Korruptionsfälle im Regierungsapparat aufdeckte, fühlte sich Premier Tayyip Erdogan von den Dogan-Medien persönlich verfolgt und rief seine Anhänger zum Boykott auf. Das Verhältnis ist offenbar irreparabel. Muss die Holding die zwei Milliarden Euro tatsächlich zahlen, ist sie praktisch bankrott. Dogan versucht deshalb, Teile der Holding an ausländische Unternehmen zu verkaufen. So will Springer bis 30 Prozent der Mediensparte übernehmen und der österreichische Energiekonzern OMV Dogans Tankstellenkette aufkaufen. Doch beide machen eine Klärung des Steuerstreits zur Voraussetzung.

Dogan hat nun das operative Geschäft an seine Tochter Arzuhan Yalcindag-Dogan abgetreten und der bisherige Chef der Parlamentsredaktion, Enis Berberoglu, wird Hürriyet-Chefredakteur. Um doch noch zu einer Einigung mit der Regierung zu kommen, kündigte Dogan an, dass sich die Familie demnächst völlig aus der Führung des Unternehmens zurückziehen werde. Die Chancen stehen aber nicht gut, denn es geht auch darum, die Pfründe im Land neu zu verteilen. Die Regierung versucht, ihrer Klientel gegen das alteingesessene Establishment neue Einkommensquellen zu erschließen, und die Medienbranche ist dabei wichtig. Schon vor zwei Jahren wurde der Sabah-Medienkonzern zuerst unter öffentliche Aufsicht gestellt und anschließend an einen regierungsnahen Konzern, bei dem der Schwiegersohn Erdogans im Vorstand sitzt, verkauft.

Regierungskritiker befürchten deshalb, dass die Dogan-Medien auch zuerst in die Insolvenz getrieben würden, um dann an Regierungsanhänger weitergereicht zu werden. Damit wären dann alle wichtigen Medien mehr oder weniger auf Regierungslinie. (Jürgen Gottschlich aus Istanbul, DER STANDARD, Printausgabe 8.1.2010)