Nun hat es auch der Papst gesagt: Die Türkei sei "die Brücke zwischen dem Islam und dem Westen" . Das ist eine im Westen weitverbreitete Meinung und insofern wahr, als die türkische Bevölkerung prädominant sunnitisch-islamisch ist, der Staat aber säkular, das heißt, die Religion nicht den allumfassenden Einfluss auf den Staat hat wie etwa in Saudi-Arabien oder dem Iran (und mehr und mehr in Ägypten). Auch nicht unter der jetzigen gemäßigt-islamischen Regierung.

Im Gegenteil - der Staat hält die Religion (die Religionen) in eisernem Griff, überwacht die Religionslehrer und Funktionäre. Gleichzeitig ist der Islam in der Türkei aber so stark, dass die Regierung es nicht wagt, die schweren Diskriminierungen vor allem gegen die christlichen Denominationen rückgängig zu machen. Erst 1955 wurden durch ein Pogrom in Istanbul rund 100.000 christliche Griechen aus dem Land vertrieben, noch in den Siebzigerjahren wurde christlicher Kirchenbesitz massiv enteignet.

Die Regierung Erdogan versucht auch hier eine vorsichtige Öffnung, z. B. mit der Erlaubnis, die sogenannte Pauluskirche in Tarsus wieder als Gotteshaus zu nutzen. Papst Benedikt will das offenbar mit Vorschusslob fördern. Realistisch gesehen gibt es in der Türkei keine Christenverfolgung wie in anderen islamischen Ländern, aber sicher auch keine volle Religionsfreiheit. Ob das als Brücke zwischen dem Islam und dem Westen genügt? (Hans Rauscher, DER STANDARD, Printausgabe 8.1.2010)