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Wer wird Wissenschaftsminister Johannes Hahn nachfolgen? Österreichische Top-Wissenschafter formulierten Anforderungen und Hoffnungen ...

Foto: APA/Robert Jäger

Wien - Seit 27. Oktober ist es fix, dass Johannes Hahn als österreichischer EU-Kommissar nach Brüssel wechselt. Nachfolger ist noch keiner in Sicht, die Entscheidung soll erst Ende Jänner fallen. Wobei kein großes G'riss um den Posten herrschen dürfte - das mediale Name-Dropping möglicher Kandidaten war durchwegs von Absagen begleitet. Die APA befragte österreichische Top-Wissenschafter, welche ein Anforderungsprofil erstellten und ihre Hoffnungen an das neue Regierungsmitglied formulierten.

Die Erwartungen sind hoch: Durchwegs fordern die Spitzenforscher einen neuen Minister mit politischem Gewicht und fettem Budget-Säckel. Keine Präferenz zeigt sich in der Frage, ob der neue Chef am Minoritenplatz, dem Sitz des Wissenschaftsministeriums, aus der Politik oder der Wissenschaft kommen sollte. Mehrheitlich wird aber ein gewisses Grundverständnis für das System Wissenschaft und Forschung gefordert.

"Verständnis für die Spitzenforschung"

So etwa vom Innsbrucker Quantenphysiker Rainer Blatt, der sich "eine/n Wissenschaftsminister/in mit Verständnis für die Spitzenforschung" wünscht, "die/der zugleich auch über das nötige politische Gewicht verfügt, um in budgetär engen Zeiten die notwendigen Ressourcen für Wissenschaft, Forschung und Universitäten in der Bundesregierung durchzusetzen".

"Universitäre Slums"

Die österreichische Wissenschaftstheoretikerin und Vizepräsidentin des European Research Council (ERC), Helga Nowotny, wurde bei einem Kongress in Kerala (Indien) erreicht. Nowotny hat zwar keine Tipps für die Personalauswahl parat, wies aber auf eine während ihres Aufenthalts verkündete Initiative des indischen Premierministers Manmohan Singh hin, der in den nächsten fünf Jahren die Ausgaben für den tertiären Sektor verneunfachen will. "Ist unseren Politikern bewusst, dass wir demnächst an den österreichischen Universitäten zumindest teilweise Verhältnisse haben werden, die 'universitären Slums' vergleichbar sind?", fragt Nowotny.

Bessere Ausstattung gefordert

Auch der Wiener Experimentalphysiker Anton Zeilinger verweist auf andere Länder wie die USA, China oder Deutschland, die "Wissenschaft und Forschung gerade jetzt, in Zeiten von Konjunkturproblemen, besser ausstatten" würden. Solche Investitionen würden sich mit Sicherheit langfristig positiv auswirken. Zeilinger wäre auf dem Chefsessel am Minoritenplatz "ein Politiker lieber als ein Fachmann", weil Polit-Profis effizienter beim Durchsetzen der Interessen von Wissenschaft und Forschung seien. Als wichtigste Eigenschaft sollte der neue Minister für Zeilinger ohnedies einen "guten Draht zum Finanzminister" mitbringen.

"Fundamentale Umstellung des Systems"

Der Chef des Instituts für Molekulare Pathologie (IMBA) der Akademie der Wissenschaften (ÖAW), Josef Penninger, wünscht sich jemanden, der sich "traut, das System fundamental umzustellen". Dazu zählen für ihn u.a. die Gründung eines Pendants zur deutschen Max-Planck-Gesellschaft, in der die besten Institute zusammengeholt werden, und eine massive Ausweitung des Budgets des Wissenschaftsfonds FWF, um 100 Prozent der Projektförderung als Overheadkosten an die antragstellenden Institutionen bezahlen zu können. Für einen Berufspolitiker, der wiedergewählt werden will, wäre eine solche Systemumstellung "wohl der politische Selbstmord", meint Penninger. Deswegen traue man sich auch nicht, diese Dinge anzugehen, sondern "gründet lieber etwas Neues, anstatt bereits Bestehendes zu reformieren das übliche politische Spiel des geringsten Widerstandes".

"Vertrauen erwecken und Kompetenz zeigen"

Der Wiener Mikrobiologin Renée Schroeder vom Department für Biochemie und Zellbiologie der Uni Wien ist es gleich, ob der neue Wissenschaftsminister aus der Politik oder der Wissenschaft kommt, Hauptsache er bzw. sie "versteht, wie Forschung funktioniert". Die Person müsse gut vernetzt sein, unter Wissenschaftern Vertrauen erwecken und Kompetenz zeigen, "damit wir wieder in Ruhe forschen können und jemand Kompetenter sich um die Rahmenbedingungen kümmert. Als ihren persönlichen "Spitzenkandidaten" für den Job nennt Schroeder Michael Stampfer, den Geschäftsführer des Wiener Wissenschafts- und Technologiefonds WWTF - "ich kann mir keinen besseren vorstellen", so Schroeder.

"Höchste Budget-Priorität der Bildung"

Wer auch immer Wissenschaftsminister/in wird - für die Sprachwissenschafterin Ruth Wodak wäre es wichtig, dass die Regierung der Bildung im Budget höchste Priorität zuordnet: "Kleine Schritte werden die Misere an den Unis nicht beheben können." Der oder die Neue im Amt sollte sich mit internationaler Bildungspolitik und den jeweiligen Strategien und Politiken exzellent auskennen, sodass das Rad nicht immer neu erfunden werden müsse. Außerdem sollte man "endlich aufhören, den anderen (der EU, Bologna, etc.) undifferenziert die Schuld zuzuschieben und sich den hiesigen Herausforderungen stellen". Wissenschafter ohne politische Erfahrung seien "meist fehl am Platz in der Politik", meint Wodak, das selbe gelte allerdings für "PolitikerInnen ohne gute Ausbildung und Qualifikation".

"Neuer Gestaltungs- und Profilierungsspielraum"

Für den Wiener Quantenphysiker Markus Arndt (Uni Wien) sollte der neue Wissenschaftsminister von der Regierung mit einem angemessenen Budget so ausgestattet werden, dass er bzw. sie auch neuen Gestaltungs- und Profilierungsspielraum hat. "Nur den aktuellen Status Quo zu verwalten, hat offensichtlich schon einige Kandidaten/innen abgeschreckt", so Arndt. Zudem wünscht der Physiker dem neuen Minister "die volle Unterstützung der Regierung" und die Möglichkeit, "weitgehend unabhängig von Parteizwängen kreativ und problemlösend agieren zu können". Im Blick haben sollte das neue Regierungsmitglied den Gesamtkomplex der anstehenden Aufgaben, einerseits die Bildung vom Kindergarten bis zum Doktorat, andererseits die Chance kompetitiver Grundlagenwissenschaft und deren Vernetzung mit industrieller Technologie.

"Gemeinsamer Kandidat der Parteien"

Für einen parteipolitisch ungebundenen, gemeinsamen Kandidaten der politischen Parteien spricht sich der Chef des Softwareparks Hagenberg (OÖ), Bruno Buchberger, aus. Wichtig wäre für ihn, einen profilierten und international erfahrenen Wissenschafter mit dem Job zu betrauen, der auch das Zeug zum Management und zur politischen Umsetzung hat. "Wer nicht selbst erfahren hat, was Grundlagenforschung, hochwertige Ausbildung für Forschung, etc. ist und wie dann die Innovationskette von der Grundlagenforschung über die angewandte Forschung zur wirtschaftlichen Innovation ist, kann das in weiten Strecken mittelmäßige Hochschulwesen in Österreich nicht auf die Höhe bringen, die wir in Zukunft brauchen", so Buchberger, der den Schlüssel für die Innovation des österreichischen Hochschulsystems in der "radikalen Ausrichtung auf Internationalisierung" sieht. (APA)