Am Abend vor Dreikönig war es - wie jedes Jahr - wieder soweit. Heuer war allerdings alles anders, denn es gab den Premieren-Lauf der "Ebenseer Glöcklerinnen" zu sehen. In Ebensee hatten einige Frauen genug davon, dass die "Glöckler" eine reine Männerdomäne sind. Als erstmals auch Glöcklerinnen nach Einbruch der Dunkelheit mit den Männern im Ortszentrum eintrafen, ernteten sie auf der einen Seite demonstrativen Applaus, auf den anderen Seite wurden sie mit Pfiffen begrüßt.

Urania Frauen/Ruth Devime

Die Glöcklerinnen waren am Venussymbol auf ihren Kappen leicht zu erkennen, ihre Kopfbedeckungen zierten Bezeichnungen wie "Weberinnen", "Ebenseer Kreuzstich" und "Schlafende Griechin" (ein nahe gelegener Berg, Anm.).

Im Rahmen des Wettbewerbes kupf-Innovationstopf 2009 wurde das Projekt des Frauenforums Salzkammergut (FFS) zur Gründung einer ersten Frauen-Glöcklerpasse in Ebensee ausgezeichnet. Das Preisgeld stellte die Landeskulturdirektion OÖ zur Verfügung, die organisatorische Abwicklung lag bei der Kulturplattform OÖ (kupf). 

Urania Frauen/Ruth Devime

Am 10. August 2009 wurde die Glöcklerinnen-Werkstatt eröffnet und am 30. Dezember 2009 wurden die letzte Arbeiten an den neun Kappen durchgeführt.

Dass der Verein eine Förderung bekommen hat, sorgte für gehörigen Protest bei den Glöcklern. In den Tagen vor dem großen GlöcklerInnenlauf hatte die Mehrzahl der männlichen Glöckler erklärt, dass sie als Boykott-Maßnahme heuer nicht mehr bis vor das Marktgemeindeamt laufen und dort ihre Kreise ziehen, sondern rund 200 Meter vorher im Ortszentrum stoppen werden.

Urania Frauen/Ruth Devime

Einige wenige solidarisierten sich aber mit den Glöcklerinnen und begleiteten sie auf der traditionellen Route. "Die sind eh fit, die Damen", meinte ein junger Teilnehmer.

Die Kappen der Glöcklerinnen wurden von den beiden Künstlerinnen Helene Benedikt und Eva-Maria Ranzenbacher entworfen. Die Kappenentwürfe von Benedikt illustrieren Ebenseer Frauengeschichte, die Entwürfe von Ranzenbacher zeigen mythologisch-sagenhafte Frauengestalten aus der Region.

Urania Frauen/Ruth Devime

Die Glöckler-Läufe dienten einst zur Abwehr von bösen Geistern. Betrieben wurden sie bisher ausschließlich von Männern, die in "Passen" genannten Gruppen organisiert sind. Die Glöckler - und nun auch Glöcklerinnen - tragen weiße Gewänder und auf dem Kopf die große Kappen.

Urania Frauen/Ruth Devime

Die Kappen bestehen aus einem Gerüst aus Holzstäben, das mit buntem transparentem Papier überzogen wird. Im Inneren der Kopfbedeckung werden Kerzen entzündet, die sie wie ein beleuchtetes Kirchenfenster aussehen lassen.

Urania Frauen/Ruth Devime

Das alte Brauchtum findet in zahlreichen Salzkammergut-Gemeinden, zum Beispiel in Gmunden, Ebensee oder Bad Ischl, statt.

Foto: Urania Frauen/Ruth Devime

Mehr als 35 Frauen haben für den 5. Jänner in etwa 2000 Stunden die Kappen gefertigt. Die Holzgerüste der neun Kappen wurden vom "Glöckler-Urgestein" Franz Neuhuber (Jg. 1928) gebaut. Die großen (Frauengeschichte) Kappen - Länge 2,5m, Höhe 1,40 m - wiegen ca. 9,5 kg, die kleinen (Sagen&Mythen) Kappen - Länge 2 m, Höhe 1,10 m - ca. 7,7 kg.

Urania Frauen/Ruth Devime

Inge Doule hat für die Glöcklerinnen das Gedicht "Die Glöcknerinnen von Ebendsee" verfasst:

Wie sich´s gehört: Die Berge trugen
statt Almenrausch brav Winterschnee,
doch unten ging grad aus den Fugen
die Welt im schönen Ebensee.

Empört nach Luft die Männer schnappen:
Die Weiber mucken plötzlich auf!
Sie bau´n sich bunte Lichterkappen
und wollen auch zum Glöcklerlauf.

Statt mütterlich im trauten Heimen
im Kreuz zu sticken Stich um Stich
tun frech sie sägen, hämmern, leimen
und zimmern bunte Hüte sich.

Die tragen stolz sie durch die Gassen,
durch die heut weht ein frischer Wind.
Den Männerpassen will nicht passen,
dass hell auch Frauenköpfe sind.

Neun Frauensterne neu entzündet
erstrahlen heut in bunter Glut,
und jede singt und sagt und kündet
von Frauenkraft und Frauenmut.

So zogen kühn und unerschrocken
die NEUN dahin mit raschem Schritt
Umrauscht von Klingen ihrer Glocken...
Doch dann zog eine ZEHNTE mit.

Frau Perchta selbst stieg hernieder
vom Berg und wünscht den Töchtern Glück:
"Auf Mädels", ruft sie, "nehmt euch wieder,
was MAN(N) gestohlen hat, zurück."

Urania Frauen/Ruth Devime