Lange wurde angenommen, dass Mikrotubuli nur von einem zentralen Punkt, dem Zentrosom, entstehen können. Das Bild zeigt, dass sich in ausgereiften Nervenzellen mit inaktivem Zentrosom die Mikrotubuli (dunkle Striche) auch in ganz anderen Bereichen einer Nervenzelle bilden.

Foto: Max-Planck-Institut für Neurobiologie / Stiess & Bradke

Martinsried - Mikrotubuli sind kleine Proteinröhrchen, die Zellen ihre Struktur geben und ihr Wachstum sowie ihre Teilung ermöglichen. Bisher wurde angenommen, dass Mikrotubuli vom Zentrosom, einem Zellorganell in der Nähe des Zellkerns, gebildet werden. Wissenschaftler vom Max-Planck-Institut für Neurobiologie in Martinsried und vom Max-Planck-Institut für Molekulare Zellbiologie und Genetik in Dresden konnten nun zeigen, dass ausgereifte Nervenzellen des Zentralen Nervensystems kein aktives Zentrosom mehr besitzen, und dass sich Mikrotubuli in diesen Zellen unabhängig vom Zentrosom neu bilden können.

Die Ergebnisse widerlegen die Lehrmeinung zum Ursprung von Mikrotubuli, gab das Max-Planck-Institut für Neurobiologie in einer Aussendung bekannt. Zudem zeigten die Untersuchungsergebnisse, dass ein essentieller Prozess zur Regeneration auch in ausgereiften Nervenzellen des Gehirns und Rückenmarks zur Verfügung stehe.

Untersuchung

Das Forschungsteam untersuchte anhand von Zellkulturen, wo Mikrotubuli in Nervenzellen entstehen. Dazu zerlegten sie die Proteinröhrchen zunächst in ihre Einzelteile und beobachteten dann ihren erneuten Aufbau in den Zellen. Wie erwartet entstanden die Mikrotubuli in jungen Nervenzellen vor allem am Zentrosom. Jedoch nicht ausschließlich: Einzelne Mikrotubuli bildeten sich auch an ganz anderen Stellen des Zellkörpers. "Die wirkliche Sensation zeigte sich aber erst, als wir ausgereifte Nervenzellen untersuchten", so Michael Stiess. Denn auch in diesen Zellen entstanden neue Mikrotubuli - und zwar überall in der Zelle, nur nicht am Zentrosom.

Dies hat auch Konsequenzen für die Regeneration von Nervenzellen, denn anscheinend können Mikrotubuli direkt an einem verletzten Ausläufer einer Nervenzelle gebildet werden und müssen nicht erst aufwendig vom Zellkörper dorthin transportiert werden. Wichtig ist hier auch eine weitere Entdeckung der Wissenschaftler: Die vor Ort gebildeten Mikrotubuli reichen aus, um eine Nervenzelle auswachsen zu lassen. So wuchsen selbst junge Nervenzellen weiter, obwohl die Wissenschaftler ihre Zentrosome mit einem speziellen Laser entfernt hatten. "Somit sollte eine der Grundvoraussetzungen für die Regeneration von Nervenzellen auch im Gehirn und Rückenmark zur Verfügung zu stehen", freute sich Frank Bradke, der Leiter der Studie. Nun gelte es herauszufinden, wie dieser Aufbau von Mikrotubuli und somit das Auswachsen verletzter Nervenzellen im lebenden Organismus angeregt werden könne. (red)