Gustav Klimts "Kirche in Cassone" steht im Februar bei Sotheby's London der letzte öffentliche Auftritt bevor.

 

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Grafik: DER STANDARD

Viktor Zuckerkandl.

 

Adeles Schubkraft: Restitutionen heizten Klimts Marktentwicklung an

Dank des Kunstrückgabegesetzes und entsprechender Restitutionen verfügt der Markt über eine beständig sprudelnde Quelle für Kunstwerke. Die Umsätze sahnt hauptsächlich das Ausland ab. Ungeachtet moderner Kommunikationstechnik sind London und New York die besten Marktplätze, Christie's und Sotheby's über ihre finanzkräftige Stammklientel die lukrativsten Adressen.

 

Von dieser Entwicklung profitierte Gustav Klimt (siehe Diagramm) wie kein anderer österreichischer Künstler. Vorerst wurden Landschaftsmotive zu Meilensteinen seiner Marktperformance. Die Mehrheit dieser im Laufe seiner Karriere geschaffenen 45 Motive - für die er im Gegensatz zu Porträts nie beauftragt wurde - befindet sich in musealen Sammlungen im In- und Ausland. Die erste Zäsur notierte Sotheby's 1997, als Litzelbergerkeller am Attersee via New York für umgerechnet netto 11,67 Millionen Euro den Besitzer wechselte. 2003 brachte das an die Erben nach Jenny Steiner restituierte Landhaus am Attersee ebendort 22,63 Millionen Euro.

 

Dieser Rekord hielt bis 2006, als fünf von der Österreichischen Galerie an die Erben nach Ferdinand Bloch-Bauer restituierte Klimt-Gemälde auf den Markt kamen. Über einen 135 Millionen Dollar Privatdeal sicherte sich Ronald Lauder damals die "goldene" Adele, ihr 1912 gemaltes Konterfei brachte wenige Monate später bei Christie's den vorläufigen Auktionsrekord von umgerechnet netto 61,52 Millionen Euro. (kron)

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Das Klimt-Meisterwerk wird nun bei Sotheby’sin London versteigert.

Sommer 1913. Nach einem Aufenthalt in Bad Gastein reiste Gustav Klimt in Begleitung der Familie Flöge nach Porto di Tremosine. Vom westlichen Ufer des Lago di Garda aus genoss man für einige Wochen die herrliche Aussicht auf das gegenüberliegende Malcesine und das südlicher gelegene Cassone.

Die künstlerische Ernte der Reise: drei Landschaftsbilder. Zwei davon waren zuletzt im Belvedere (Gustav Klimt – Landschaften, 2003) zu sehen: die Italienische Gartenlandschaft (Kunsthaus Zug, Stiftung Sammlung Kamm) sowie Kirche in Cassone (österreichische Privatsammlung). Das dritte im Katalog reproduzierte Malcesine am Gardasee war – als Teil der ehemals größten privaten Klimt-Kollektion August und Serena Lederers – in den letzten Kriegstagen 1945 verbrannt. Ursprünglich hatte Klimt sowohl Cassone als auch Malcesine dem Stahlindustriellen und Erbauer des Sanatoriums Purkersdorf Viktor Zuckerkandl verkauft.

Als der Kunstmäzen und seine Ehefrau Paula 1927 kinderlos verstarben, wurde ihr Nachlass 1928 bei C. J. Wawra in Wien versteigert. Nicht aber die insgesamt sieben Klimt-Gemälde: Allee im Park von Schloss Kammer verkaufte man für 16.920 Altschilling (heutiger Gegenwert 49.575 Euro) an die Österreichische Galerie, die anderen sechs verteilte man entsprechend des jeweiligen Erbanteils an Familienangehörige. Viktors Neffe Fritz Zuckerkandl erhielt Malcesine, das er vor 1938 an die Sammlung Lederer verkaufte. Viktors Schwester Amalie Redlich bekam Cassone.

Ein Jahrzehnt lang zierte das 110 mal 110 cm große Gemälde die Salonwand in der Eugen-Villa auf dem Gelände des Sanatoriums Purkersdorf. Dort sah es ihr mittlerweile 81-jähriger Enkel kurz nach der Arisierung des Sanatoriums im Jahre 1939 zum letzten Mal. Wegen der Grünpalette und dem dunklen Kadmiumton der Zypressen blieb es ihm als "Spinatlandschaft" in Erinnerung. Während er (Name der Redaktion bekannt) und sein Vater den Holocaust in einem Versteck in Belgien überlebten, wurden seine Großmutter und seine Mutter 1941 nach Lodz deportiert, wo sich ihre Spur verlor.

Die Gemälde – darunter auch zwei weitere Blumenstücke von Gustav Klimt und Arbeiten anderer Künstler – hatte Amalie Redlich zuvor bei der Wiener Spedition Zdenko Dworak eingelagert und den seinerzeitigen Leiter mit 2000 Reichsmark (heutiger Gegenwert 9500 Euro) bestochen, um ihre Sammlung so vor dem Zugriff der Nationalsozialisten zu schützen. Vergeblich. 1947 fand ihr Schwiegersohn nur mehr leere Kisten vor. Damals einvernommene Lagerarbeiter gaben an, die Kunstwerke wären von Russen geplündert worden.

Cassone blieb verschollen, bis es im Zuge einer Ausstellung in Graz 1962 auftauchte. Davor und danach hatte Kirche in Cassone mehrfach, aber immer auf privater Ebene den Besitzer gewechselt. Den vorerst letzten Auftritt hatte es als Leihgabe aus einer Privatsammlung 2003 im Belvedere – die problematische Provenienz war damals bereits bekannt.

Knapp zehn Jahre, erklärt Rechtsanwalt Alfred Noll, hätten die Recherchen gedauert. Die konkreten Verhandlungen zwischen seinem in Kanada lebenden Mandanten und dem jetzigen Eigentümer, die beide anonym bleiben möchten, weitere zwölf Monate.

Gütliche Einigung

Gesetze sind eben nur eine Seite der Medaille: der gutgläubige Erwerb sowie das über den Privatstatus und trotz Novellierung vor wenigen Wochen nicht anwendbare Kunstrückgabegesetz einerseits. Verständnis und die Bereitschaft, einer problematischen Provenienzgeschichte eine positive Wendung zu geben, andererseits. Das Ergebnis ist eine gütliche Einigung, die Österreichs allererste Privatrestitution ermöglicht – vielleicht mit Vorbildwirkung.

Auf Basis besonders berücksichtigungswürdiger Gründe erhielt das Meisterwerk eine Ausfuhrgenehmigung und trat bereits im Herbst 2009 seine Reise nach London an. Dort wird es als Höhepunkt im Rahmen des Evening Sales Impressionist & Modern Art bei Sotheby's am 3. Februar glänzen und soll um die zwölf Millionen Pfund (13,35 Mio. Euro) bringen. Wie der Erlös zwischen altem und neuem Eigentümer geteilt wird, bleibt vertraulich. (Olga Kronsteiner, ALBUM – DER STANDARD/Printausgabe, 09./10.01.2010)