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Obama mit seinem Stab von Sicherheitsexperten während der Beratungen am 5. Jänner.

Foto: Reuters/Pete Souza

Washington - Nach dem Versagen der US-Geheimdienste im Zusammenhang mit dem Anschlagsversuch am ersten Weihnachtstag hat US-Präsident Barack Obama Fehler im System ausgemacht. Das System ist ein ebenso gigantischer wie schwerfälliger Apparat aus 16 Geheimdiensten mit insgesamt 200.000 Mitarbeitern. Obama habe eine "Geheimdienst-Gemeinde geerbt, die aufgeblasen, bürokratisch und so groß ist, dass es ihr schwerfällt, die Puzzleteile zusammenzusetzen", sagt der ehemalige CIA-Mitarbeiter Bruce Riedel.

Das Foto von Obamas Krisentreffen mit den Geheimdienstchefs bringt laut Riedel das Problem auf den Punkt: "In dem Raum sitzen zwei Dutzend Leute. Warum wollen so viele Leute der Chef sein?" Nach den Terroranschlägen vom 11. September 2001 sei zwar der Posten des Nationalen Geheimdienstdirektors (DNI) neu geschaffen worden, der im Namen aller Geheimdienste sprechen und den Präsidenten beraten solle, aber das Amt sei nie mit ausreichend Autorität versehen worden, bedauert der Geheimdienstexperte. Der amtierende Nationale Geheimdienstdirektor Dennis Blair überwacht die vielen Geheimdienste und koordiniert vor allem Anti-Terror-Maßnahmen der US-Bundespolizei und des nach 2001 geschaffenen Heimatschutzministeriums.

Namen von 500.000 Terrorverdächtigen in einer Liste

Blair direkt unterstellt ist das Nationale Zentrum für Terrorismusbekämpfung (NCTC), in dem alle Informationen über Terrordrohungen gesammelt und analysiert werden sollen. Nach dem vereitelten Anschlag von Detroit richtete sich die Kritik vor allem gegen das NCTC, dem es nicht gelungen sei, die entscheidenden Hinweise zusammenzufügen. Das Zentrum verwaltet eine Liste mit den Namen von inzwischen rund 500.000 Verdächtigen mit mutmaßlichen Verbindungen zu Extremisten und alarmiert im Ernstfall die US-Bundespolizei FBI.

Das FBI erstellt die Terrorliste, auf deren Grundlage die US-Luftfahrtbehörde FAA wiederum ihre sogenannte Flugverbotsliste mit den Namen der Verdächtigen zusammenstellt, denen die Einreise mit dem Flugzeug verboten ist. Die CIA und andere Geheimdienste stellen dem NCTC Experten zur Verfügung, die die vielen Hinweise analysieren und Geheimdienstberichte verfassen. Dass das Nationale Zentrum für Terrorismusbekämpfung nach seiner Gründung erst einmal die Computersysteme und Datenbanken der unterschiedlichen Behörden in Einklang bringen musste, offenbart weitere Fallstricke in dem großen Geheimdienstapparat.

CIA verlor nach dem 11. September Status der obersten Spionagebehörde

Der Ruf der Central Intelligence Agency (CIA), 1947 zur Zeit des Kalten Krieges geschaffen und lange der bekannteste US-Spionagedienst, ist seit dem 11. September 2001 und den fragwürdigen Berichten über angebliche irakische Massenvernichtungswaffen, die nie gefunden wurden, ruiniert. Nach einer Reform auf Beschluss des US-Kongresses wurde die Behörde mit 20.000 Mitarbeitern degradiert, verlor ihren Status als Berater im Weißen Haus und als oberste Spionagebehörde.

Zu den 16 Geheimdiensten gehört auch die National Security Agency (NSA) mit Sitz in Fort Meade in Maryland, die mit umfassenden Abhöraktionen elektronische Geheimdienstinformationen beschafft und über ein Team von Experten verfügt, die Geheimcodes entschlüsseln können. Für die Durchforstung des weltweiten E-Mail-, Telefon- und Faxverkehrs und von Datenbanken kann sich die Behörde auf ein Netzwerk von Spionagesatelliten stützen, die vom National Reconnaissance Office in Chantilly im Bundesstaat Virginia überwacht werden. Wie die CIA geriet die NSA unter der Regierung von Ex-Präsident George W. Bush wegen umstrittener Abhörpraktiken in Verruf.

Nach Einschätzung von Experten tauschen die vielen Geheimdienste heute mehr Informationen aus als vor dem 11. September 2001. Das Problem sei jetzt eher, dass sie in der Flut von Hinweisen ertrinken. "Das System ist mit Informationen verstopft", zitierte die "Washington Post" einen ehemaligen CIA-Offizier. Die Geheimdienstmitarbeiter stehen vor einem verwirrenden Puzzle. "Jede Minute kriegst Du ein anderes Stück, das für das Puzzle, an dem du sitzt, wichtig sein könnte oder auch nicht." (AFP)