Zu den Seitenblicken fällt uns schon lange nichts mehr ein. Das ist schade und war einmal anders; ja, es gab eine Zeit, da der Konsum dieses ORF-Formats erfrischte. Mit den Jahren jedoch verfestigte sich das (nur teilweise ungerechte) Vorurteil, wonach eine immer gleiche Gruppe von fünfeinhalb Viertelpromis in der Sendung einen Zweitwohnsitz erhalten hatte.
Zudem entwickelte sich der ORF insgesamt in Richtung Seitenblicke, was dem kleinen Format schaden musste. Die fünfeinhalb Viertelpromis traten plötzlich auch noch in diversen grellen ORF-Formaten als Tänzer oder Juroren auf und waren erst recht nicht mehr zu ertragen, wenn sie auch zur Primetime an irgendeinem Buffet ihre Belanglosigkeit zelebrieren durften.

Dann kam der blonde Inquisitor auf ATV, und die Seitenblicke-Schwäche wurde seine Stärke. Auch er hatte eine Vorliebe für die fünfeinhalb Viertelpromis, aber bei ihm mussten sie einen hohen Würdepreis zahlen, um vorzukommen. Unsympathisch, aber kurzweilig, und so war es nur zu logisch, dass die Seitenblicke eine Strafe ereilen musste. Sie kommt ab Montag, wie bekannt, in Form des Blonden auf ORF 1. 

Womöglich kann man auf die Seitenblicke also bald einen Nachruf schreiben; wie das nun weitergehen soll mit dem kleinen Format, ist jedenfalls unklar. Werden sie die Grobheit des Blonden imitieren? Wird ATV zeigen, wie sich der Blonde mit den Seitenblicke-Redakteuren um Interviews prügelt? Werden die Seitenblicke statt C-Promis nur noch jene der D-Kategorie bekommen? Oder werden sie einfach interessanter, während der Blonde - nun in Anzug und ORF-Ketten gelegt - plötzlich zahm wird? Die Schlacht kann beginnen!  (Ljubiša Tošic, DER STANDARD; Printausgabe, 9./10.1.2010)