Madrid/Kreuth/Ankara - Die spanische EU-Ratspräsidentschaft will die Beitrittsverhandlungen mit der Türkei vorantreiben. "Wir haben vier Verhandlungsbereiche im Sinn, die wir während unserer Amtszeit eröffnen möchten", sagte Spaniens Außenminister Miguel Ángel Moratinos am Freitag in Madrid. Die spanische Ratspräsidentschaft läuft bis Ende Juni.

Die seit 2005 laufenden Beitrittsverhandlungen mit Ankara sind weitgehend blockiert, zum Teil wegen der Weigerung der Türkei, ihre Häfen für das EU-Mitgliedsland Zypern zu öffnen. Von insgesamt 35 Verhandlungskapiteln sind zwölf eröffnet worden, nur ein Kapitel ist abgeschlossen. Spanien startete am Freitagabend im Beisein des neuen ständigen Präsidenten Herman Van Rompuy seinen Ratsvorsitz.

Heftige Kritik wegen seiner offenen Haltung zu einem EU-Beitritt der Türkei musste der deutsche Außenminister Guido Westerwelle (FDP) von der CSU einstecken. Hans-Peter Friedrich, Chef der CSU-Gruppe im Bundestag, stellte bei der Klausur in Wildbad Kreuth klar, diese lehne einen Türkei-Beitritt weiter strikt ab. Westerwelle entgegnete: "Wer Arbeitsplätze schaffen will, ist gut beraten, mit einem so aufstrebenden dynamischen Land wie der Türkei gut zusammenzuarbeiten."

Madrid legt Präsidentschaftsprogramm vor

Mehr gemeinsame Wirtschaftspolitik, mehr Tempo bei den Beitrittsverhandlungen mit der Türkei, mehr Klarheit in der EU durch die zwei neuen Spitzenjobs der Union - den ständigen Ratspräsidenten und die EU-Außenministerin: Das sind die Leitideen, die Spaniens Ministerpräsident José Luis Rodríguez Zapatero am Donnerstag und Freitag in Madrid erläuterte.

Während seiner EU-Ratspräsidentschaft will Spanien für die Idee einer europäischen "Wirtschaftsregierung" werben, um die Politik der EU-Staaten besser zu koordinieren. Möglich seien auch finanzielle Strafen für Mitgliedsländer, die nicht genug für das Wachstum ihrer Wirtschaft tun, sagte Zapatero. Zudem brauche es eine verbindliche gemeinsame Strategie bis 2020. Am Freitag lud er zum offiziellen Start der Ratspräsidentschaft die EU-Kommission und den neuen ständigen Ratspräsidenten, den Belgier Hermann Van Rompuy, ein. Die neue EU-Außenministerin Catherine Ashton erschien nicht. Sie bereite sich in London auf ihre Anhörung im EU-Parlament vor, hieß es.

Vier neue Kapitel

Spaniens Außenminister Miguel Angel Moratinos, ein Befürworter des EU-Beitritts der Türkei, kündigte seinerseits einen Vorstoß bei den Verhandlungen mit Ankara an. Vier neue Kapitel würden eröffnet, sagte der Außenminister. Die Gespräche sind wegen der Zypernfrage weitgehend blockiert; Ankara, das die "Türkische Republik Nordzypern" anerkennt, weigerte sich bisher, seine Häfen für das EU-Mitglied Zypern zu öffnen. Moratinos zeigte sich optimistisch, dass Verhandlungen zwischen griechischen und türkischen Zyprern über eine Lösung des jahrzehntelangen Konflikts bereits in Kürze "positive Ergebnisse" bringen.

Für den Beitritt der Türkei zur EU warb in Ankara auch der deutsche Außenminister Guido Westerwelle. Er musste dafür am Freitag Zurechtweisungen von der CSU-Klausurtagung in Wildbad Kreuth entgegennehmen. Westerwelle sprach von einer "kleinkarierten Haltung" .

Der türkische Premier Recep Tayyip Erdogan wies wiederum Vorschläge seitens der EU für eine Anbindung der Türkei ohne Vollmitgliedschaft als inakzeptabel zurück. Sein Land werde sich nicht mit einer "halben Mitgliedschaft" zufrieden geben, sagte er laut türkischen Medien in seinem Gespräch mit Westerwelle. (dpa, AFP, red, DER STANDARD, Printausgabe 9./10. Jänner 2010)