Bundeskanzler Faymann will sich von den Banken Geld zurückholen: "Aber der Mittelschicht drohe ich nicht mit neuen Steuern."

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Standard: Ist Ihnen bei Ihrer Fahrt ins Burgenland ein geeigneter Ort für das Erstaufnahmezentrum für Asylwerber ins Auge gestochen?

Faymann: Nein, es geht um etwas anderes. Wenn wir die Verfahren für die Asylwerber verkürzen und alle Länder ihre Quoten für die Aufnahme erfüllen, wird die Verweildauer in so einem Erstaufnahmezentrum kürzer und damit auch die Zahl der dort betreuten Menschen.

Standard: Das heißt, wir brauchen kein neues Aufnahmezentrum.

Faymann: Das wäre der beste Fall.

Standard: Warum haben Sie den Bau eines neuen Zentrums dann im Koalitionspakt festgeschrieben?

Faymann: Sicher nicht aus Langeweile. Aber man kann auch etwas infrage stellen, das im Regierungsprogramm steht, wenn es eine bessere Lösung gibt. Ich traue mich heute nicht zu sagen, ob das Zentrum nach allen Maßnahmen wirklich nicht mehr notwendig ist. Vielleicht brauchen wir eine kleinere Einrichtung als jene, die in Eberau geplant war.

Standard: Und die soll dann wo stehen?

Faymann: Im Regierungsprogramm haben wir den Süden vereinbart. Die Innenministerin soll verraten, welche Gemeinden sich beworben haben.

Standard: Wenn Sie auf Kärnten hoffen: Dort kann Ihre Regierung ja nicht einmal zweisprachige Ortstafeln durchsetzen. Warum soll dieses Land plötzlich die Aufnahmequote für Asylwerber erfüllen oder gar ein Aufnahmezentrum akzeptieren?

Faymann: Nicht die Kärntner machen es schwierig, sondern der Landeshauptmann, der ja jetzt zur Strache-Truppe gehört. Klar ist der dagegen. Aber durchs Reden kommen die Leut' z'samm. Der Landeshauptmann von Tirol, das die Quote auch nicht erfüllte, hat mir versprochen, das zu ändern, aus Salzburg kommen ähnliche Signale. Wenn die Kärntner als Einzige übrigbleiben, lässt sich vielleicht ein Meinungsumschwung durchsetzen. Klar ist: Einen Landeshauptmann kann man nicht hintenrum überlisten, wie das die Innenministerin versucht hat. Deshalb bin ich auch für eine verbindliche Volksbefragung.

Standard: Da könnten Sie das Projekt genauso gut gleich begraben. Burgenlands Landeshauptmann Hans Niessl prophezeit: Die Entscheidung werde eindeutig sein.

Faymann: Nach dem vermurksten Start wird die Bevölkerung tatsächlich große Skepsis haben. Sinn einer Befragung ist aber, das Ergebnis abzuwarten.

Standard: Österreich ist verpflichtet, Asylwerber menschenwürdig zu behandeln. Kann man Entscheidungen, die Menschenrechte berühren, ans Volk delegieren?

Faymann: Ich lese jetzt aus dem Grundsatzprogramm der ÖVP vor: "Die repräsentative Demokratie ist durch Elemente direkter Demokratie sinnvoll zu ergänzen."

Standard: Eine Mehrheit für die Aufnahme von Asylwerbern wird es nie geben.

Faymann: Traiskirchen ist ein Gegenbeispiel, der Bürgermeister ist ja nicht gegen das dortige Aufnahmezentrum, er will nur menschenwürdige Zustände. Und Vordernberg in der Steiermark hat sich bereit erklärt, ein Schubhaftzentrum zu akzeptieren. Würde ich auf nichts Rücksicht nehmen, fielen Entscheidungen natürlich schneller. Aber der "gute Diktator" will ich nicht sein.

Standard: Vielleicht wollen Sie sich nur die Finger nicht schmutzig machen. Sie sind dafür gewählt, heikle Entscheidungen zu treffen.

Faymann: Ja, aber Aug in Aug mit der Bevölkerung und nicht hinterrücks. Ich bin bei den Wahlen auch deshalb Erster geworden, weil ich immer gesagt habe: Das Drüberfahren über die Leut' liegt mir nicht.

Standard: Die Leute würden vielleicht auch für die Abschaffung aller Steuern oder den Rauswurf von Ausländern stimmen, wenn man sie fragt.

Faymann: Die überwiegende Zahl der Entscheidungen in unserem Land fallen ohnehin in der Regierung und im Parlament, sodass ich in Schulklassen immer die Frage höre: "Brauchen Sie uns nicht nur bei der Stimmabgabe alle fünf Jahre?"

Standard: War es nicht gerade das Kernproblem Ihres ersten Jahres als Kanzler, dass das Publikum Sie nicht als durchsetzungsstarken Regierungschef wahrnimmt?

Faymann: Mir ist wichtiger, die Bevölkerung sieht mich am Ende der Legislaturperiode als Regierungschef, der durchgesetzt hat, dass wir etwa bei der Bekämpfung der Arbeitslosigkeit die Zweitbesten in Europa sind. Und wenn dann dank meiner beharrlichen Art, ohne jemanden vor den Kopf zu stoßen, auch Schritte bei der Verwaltungsreform passiert sind, dann kann ich mir viele teure Wahlplakate sparen.

Standard: Momentan sieht's nicht danach aus. Sonst hätte die SPÖ nicht eine Wahl nach der anderen verloren.

Faymann: Das sehe ich anders, weil ich seit der Nationalratswahl vor einem Jahr in keiner Befragung auch nur eine Stimme verloren habe. Bei den Landtagswahlen sind die Sozialdemokraten von einem Niveau ausgegangen, das sie in der Opposition gegen die ungeliebte schwarz-blaue Regierung erreicht haben, außerdem spielen regionale Besonderheiten eine Rolle.

Standard: Sie wollen trotz der Niederlagen gar nichts ändern?

Faymann: Nein, im Gegenteil. Ein Jahr wird dafür gar nicht ausreichen. Wir müssen zweifach erfolgreich sein: Die SPÖ muss immer mehr wollen, als sie in einer Regierung durchsetzen kann, schließlich ist sie eine soziale Partei, die das Wort Freundschaft schon im Gruß führt. Aber sie muss auch nachweisen können, dass sie wertvolle Teile davon umsetzt.

Standard: Kritiker in der Partei, die sich als Linke deklarieren, vermissen genau das. Stichwort höhere Steuern auf Vermögen. Warum zaudern Sie da so?

Faymann: Erstens soll man halten, was man im Wahlkampf versprochen hat. Etwa, dass die Erbschafts- und Schenkungssteuer nicht wieder eingeführt wird.

Standard: Nicht sehr sozialdemokratisch, sagen die Kritiker.

Faymann: Dafür halte ich andere Formen der Einnahmen für sehr verträglich: Steuern auf Aktiengewinne, auf Finanztransaktionen. Fürs Einnehmen bin ich schon, aber nicht bei den Massen der Bevölkerung.

Standard: Steuern auf Vermögen, die stark auf eine Oberschicht konzentriert sind, sind keine Massensteuern.

Faymann: Gegenbeispiel: Wenn wir etwa bei einer Erhöhung der Grundsteuer die Häuslbauer, die Betriebe und alle Fälle, wo Mieter betroffen wären, ausnehmen, bringt diese nicht mehr viel.

Standard: Je weniger Steuern Sie einnehmen, desto härter wird das künftige Sparpaket ausfallen.

Faymann: Zu meiner Klientel gehören die Arbeitnehmer. Einnahmen von den Richtigen kann man gar nicht genug haben. Ich will etwa bei den Banken via Transaktionssteuer etwas von der Staatshilfe zurückbekommen. Aber der Mittelschicht drohe ich nicht mit neuen Steuern. (Gerald John, DER STANDARD, Printausgabe, 9./10.1.2010)