Als ob das Eintreten der Zukunft an einen fixen Termin gebunden wäre, ist ihr Studium zum Jahreswechsel traditionell besonders beliebt. "News" widmete die erste Nummer des neuen Jahres schon auf dem Titelblatt der Erforschung des Kommenden und kündigte an: Ihre Sterne 2010. Das große News-Horoskop: Liebe, Job & Fitness im neuen Jahr! Neben der Astrologin Irmie Schüch-Schamburek kamen, weniger prominent angepriesen, auch Futurologen geringeren Ranges zu Wort, wie etwa Raiffeisen-Chef Christian Konrad oder der Psychiater Reinhard Haller, was insofern interessant ist, als es die Frage nach dem Verbleib von Rotraud Perner aufwarf.

Ein Quervergleich spendet insofern Trost, als deren Diagnosen einander nicht krass widersprechen, allenfalls ein wenig in sich. Im widerspruchsfreien System der Astrologie kommt daher die Botschaft Schüch-Schambureks besonders beruhigend. Die Sonne als Jahresregent 2010 sorgt für Wachstum - äußerlich ebenso wie im Inneren. Besondere Anstrengungen sind dafür nicht nötig, es gilt heuer daher, die innere Entwicklung und die persönliche Entfaltung anzukurbeln, mit dem eigenen Wesen vertrauter zu werden, sich selbst zu erkennen und in der Folge natürlich auch zu verwirklichen. Denn die Sonnenenergie spendet Lebenskraft, Lebensfreude und Stärke und hilft uns, unsere kosmischen Aufgaben besser und leichter zu erfüllen.

Zweifellos wird sie auch dem Raiffeisen-Chef helfen, seine kosmischen Aufgaben besser und leichter zu erfüllen, ja sie hat es schon getan, als sie ihm die Prognose eingab: Ich war immer der Meinung, dass sich im zweiten Halbjahr 2010 die Dinge wieder in eine sehr positive Richtung entwickeln werden. Am Ende dieses Jahres werden wir uns mit der Vergangenheit, aber vor allem mit der Zukunft schon wieder viel fröhlicher beschäftigen.

Arbeitslose bleiben von dieser fröhlichen Beschäftigung leider ausgeschlossen, denn zu mehr als "Arbeitslosigkeit kann man nur abfedern" reichte weder die Energie der Sonne noch die Fantasie des unermüdlichen Organisators von Kirchensanierungen aus. Aber das fällt ja auch nicht unter kosmische Aufgaben.

Etwas weiter als bis zu Fröhlichkeit am Jahresende reichen die Prognosen von Seelenarzt Reinhard Haller über unsere ,kaputte Welt' und die Sehnsucht nach einem ,neuen Biedermeier'. Für ihn ist Zukunft eine Sache des richtigen Trainings. In den vergangenen Jahren waren wir in hohem Maße darauf konzentriert, die linke Gehirnhälfte, unser "Logik-Zentrum", zu trainieren. Leistungen zu bringen, es zu schaffen, in einem Gefüge zu bestehen, in dem nur die Erfolgreichen wirklich akzeptiert werden. Doch schon sind erste Indizien dafür vorhanden, dass wir demnächst die Gebiete im rechten Teil unseres Gehirns, also jene Bereiche, in welchen Emotionen, Empathiefähigkeit und Moralempfinden entwickelt werden, anleiern.

Für die Zukunft der herrschenden Klasse ist die Entwicklung von Moralempfinden laut Haller ganz schlecht. Der Leidensdruck der Masse nimmt zu. Folglich beginnen die Menschen langsam wieder damit, sich zu solidarisieren. Was es der herrschenden Klasse zunehmend schwieriger macht, ihre Untaten als legal darzustellen.

Doch wie die rechten Gehirnteile auf Trab bringen? Anders als Christian Konrad glaubt Haller nicht an die Politik. Die Politik im Allgemeinen ist in unserem Land längst auf einem sehr primitiven Niveau angelangt. Nein, keiner unserer Volksvertreter wird den notwendigen Umschwung bringen, dessen bin ich mir sicher. Haller setzt aber auch nicht auf die Kraft der Sonne. Den Umschwung bringen nur die von den fatalen Umständen Betroffenen. Sie allein werden bewirken, dass es letztlich sogar Gesetzesänderungen geben wird.

Da müsste sich allerdings zuerst der Bundeskanzler der kosmischen Aufgabe unterziehen, das Konzept der allgemeinen Volksbefragung durchzusetzen. Aber das Wirksamste, im Jahr der Sonne der herrschenden Klasse die Wadeln nach vorn zu richten - so viel an seriöser Zukunftsprognose muss erlaubt sein -, ist doch die Heimkehr Dominic Heinzls in den ORF. Der Boulevard hat daher in den letzten Wochen die ihm gewidmeten Vorschusslorbeeren kübelweise begossen. Zuletzt verriet "News" noch Heinzls Aufspaltung in Job und privat. Wie Dr. Jekyll und Mr. Hyde. Oder wie linke Gehirnhälfte gegen die rechte. Er lacht, er tanzt, er singt. Und, kaum zu glauben, er hat einen Hang zum Spirituellen. Und mit "Chili" endlich seine kosmische Aufgabe.(Günter Traxler, DER STANDARD; Printausgabe, 9./10.1.2010)