Österreich ist ein Einwanderungsland und braucht Migranten. Zu sagen traut sich das derzeit kein Politiker von SPÖ oder ÖVP. Die Diskussion um das Asylaufnahmezentrum in Eberau hat das Ausländerthema so emotionalisiert, dass auch in der Sache kein Ausweg möglich scheint.

Wenn Innenministerin Maria Fekter (ÖVP) sagt, dass "mehr als 80 Prozent der Asylwerber aus wirtschaftlichen Gründen oder als Kriminelle nach Österreich" kommen, dann darf man sich nicht wundern, dass das geplante Asylaufnahmezentrum niemand haben will. Wer wie Bundeskanzler Werner Faymann (SPÖ) ein verbindliches Referendum verlangt, kann das Projekt gleich für gescheitert erklären. Das wäre ehrlicher, als das Volk abstimmen zu lassen. Denn für ein solches Zentrum wird kein Koalitionspolitiker offensiv werben.

Direkte Demokratie ist wichtig, hat aber ihre Grenzen. Über Menschenrechte darf nicht abgestimmt werden, und Asylansuchen sind ein fundamentales Menschenrecht. Österreich hat sich international zur Wahrung der Menschenrechte verpflichtet.

Weil sich Österreich nicht als Einwanderungsland versteht, gibt es auch keine systematische staatliche Zuwanderungs- und Integrationspolitik. In vielen europäischen Staaten wie Schweden, Dänemark, den Niederlanden und Frankreich gibt es ein eigenes Integrationsministerium, in Deutschland immerhin auf Länderebene. In Österreich fehlt eine Koordinierungsstelle, das Innenministerium - egal ob SP- oder VP-geführt - sieht Ausländer unter dem Aspekt des Sicherheitsrisikos.

Es ist höchst an der Zeit, auch hierzulande ein Zuwanderungsmodell zu etablieren, das die Unterscheidung zwischen Flüchtlingen und Menschen, die aus wirtschaftlichen Gründen kommen, schon vor dem Asylantrag ermöglicht. In Australien, Neuseeland oder Kanada (seit 1967) gibt es ein durchschaubares, nach vernünftigen Kriterien gestaltetes Zuwanderungskonzept. Ein Modell nach Kriterien, das sich auch an den Bedürfnissen des Arbeitsmarktes orientiert, würde das Asylsystem schlagartig entlasten und seinen Missbrauch eindämmen. Konzepte dazu gibt es: Die Industriellenvereinigung, die fürwahr nicht in Verdacht steht, in Multikulti-Träumereien zu schwelgen, fordert, dass Österreich "von einer defensiven und sicherheitsorientierten zu einer aktiven und zukunftsorientierten Migrations- und Integrationspolitik kommen" müsse. Auch die Wirtschaftskammer stellt klar, dass Österreich Zuwanderung schon aus demografischen Gesichtspunkten brauche.

Was man bisher von Fekters Integrationsplan weiß, ist, dass Zuwanderer Deutsch lernen müssen, bevor sie nach Österreich kommen. Wie sollen Flüchtlinge wie Tschetschenen und Afghanen in ihrer Heimat, wo Krieg herrscht, Deutsch lernen? Auch die SPÖ hat keine Integrationskonzepte, die sie öffentlich aktiv vertritt.

In Österreich verläuft der Diskurs seit Jahren in einem selbstreferenziellen System: Boulevardmedien schüren die Angst vor Ausländern, Politiker reagieren darauf, dann schüren Politiker Ängste und Medien reagieren darauf. So wird Zuwanderung als Bedrohung dargestellt, Asylwerber werden als potenzielle Kriminelle abgestempelt. Politisch profitieren davon die rechten Parteien. (Alexandra Föderl-Schmid, DER STANDARD Printausgabe, 09.10.01.2010