Berlin - Der Steuerstreit in der schwarz-gelben Koalition in Deutschland geht in eine neue Runde: Im deutschen Finanzministerium wird nach Informationen des Nachrichtenmagazins "Der Spiegel" eine Verschiebung der geplanten Steuerreform erwogen. Demnach könnten die von der Koalition geplanten weiteren Milliarden-Entlastungen zwar schon in diesem Jahr beschlossen werden, aber erst nach 2011 in Kraft treten.

Das deutsche Finanzministerium wies den Bericht als "pure Spekulation" zurück. "Es bleibt dabei, dass nicht vor Mitte Mai im Zusammenhang mit der Aufstellung des Haushalts 2011 entschieden wird", sagte eine Sprecherin am Samstag in Berlin. Die FDP wies Überlegungen für ein Verschieben der Reform umgehend zurück. Die Freidemokraten beharren auf einem nächsten Entlastungsschritt 2011 und auf dem vereinbarten Gesamtvolumen von jährlich bis zu 24 Milliarden Euro.

Im Finanzministerium wird der Vorstoß laut "Spiegel" damit begründet, dass die Einnahmeausfälle des zweiten Schrittes von bis zu 20 Milliarden Euro für die angespannten öffentlichen Budgets ein oder zwei Jahre später besser zu verkraften seien. In die Überlegungen sei auch Ressortchef Wolfgang Schäuble (CDU) einbezogen. Beabsichtigt sei, den Vorschlag beim bevorstehenden Krisentreffen der Koalitionsspitze am 17. Jänner zur Sprache zu bringen.

FDP-Generalsekretär Christian Lindner erklärte, es gebe keinen Anlass zum Zaudern: "Das Tempo der Pirouettentänzer in den Reihen der Union ist nicht mehr unterhaltsam, sondern nur noch verstörend." Die schwarz-gelbe Koalition sollte Berechenbarkeit zu ihrem Markenzeichen machen. Es sei unverständlich, dass der vereinbarte Fahrplan mit dem zweiten Entlastungsschritt im Jahr 2011 aus der Union heraus hinterfragt werde. Schließlich seien es Vertreter der Union - insbesondere die CSU - gewesen, die auf dieses Datum gedrängt hatten.

Nach Darstellung des hessischen FDP-Chefs Jörg-Uwe Hahn werden sich die Liberalen bei ihren Steuersenkungs-Forderungen nicht beirren lassen. "Die FDP hat sich über Jahre ein Alleinstellungsmerkmal erarbeitet: Sie steht für ein einfaches, transparentes und gerechtes Steuersystem", sagte Hahn gegenüber der Deutschen Presse-Agentur (dpa). Im vergangenen Jahr sei für das Konjunkturpaket oder die Verschrottungsprämie (Abwrackprämie) genügend Geld vorhanden gewesen. "Das geht komischerweise alles. Nur wenn es darum geht, dass man mal den Bürger entlastet, dann wird gekräht."

Die CDU stimmt die Bürger auf einen baldigen Sparkurs ein. "Wir müssen ab 2011 den Abbau der krisenbedingt massiv angestiegenen Staatsverschuldung mit ganzer Kraft angehen", sagte CDU-Generalsekretär Hermann Gröhe der dpa. Bei weiteren Steuerentlastungen hingen Umfang und Zeitplan ganz entscheidend von der wirtschaftlichen Entwicklung in den nächsten Monaten ab. "Die kann und darf nicht einfach ausgeblendet werden", sagte Gröhe.

Unterdessen zeichnet sich ab, dass der Bund im vergangenen Jahr weniger neue Schulden gemacht hat als angenommen. Statt der zuletzt erwarteten Nettokreditaufnahme von 37,5 Milliarden Euro fielen 2009 laut "Spiegel" nach vorläufigen Berechnungen des deutschen Finanzministeriums rund 36 Milliarden Euro an neuen Krediten an. Im Finanzministerium hieß es, der endgültige Etatabschluss liege Ende kommender Woche vor. Die genannte Größenordnung gehe aber in die richtige Richtung.

Ursache für die geringere Schuldenaufnahme ist die etwas bessere Konjunkturentwicklung im vergangenen Jahr. Dadurch sanken die Steuereinnahmen nicht ganz so stark wie befürchtet. Auch die Kosten für den Arbeitsmarkt blieben unter den Erwartungen. Ursprünglich hatte der Bund für 2009 sogar eine Neuverschuldung von 49,1 Milliarden Euro veranschlagt. Die nicht erforderlichen Kredite verschaffen Schäuble einen zusätzlichen Finanzpolster. Er kann sie sich später vom Bundestags-Haushaltsausschuss wieder freigeben lassen.

Für 2010 plant Schäuble bisher eine Rekord-Neuverschuldung von fast 86 Milliarden Euro. Einschließlich der unterstellten 14,5 Milliarden Euro der Sondervermögen für das Konjunkturpaket und den Banken-Rettungsfonds könnte die Neuverschuldung des Bundes in diesem Jahr sogar auf bis zu 100 Milliarden Euro steigen.

Auch die Subventionen des Bundes sind in Folge der Wirtschaftskrise im vergangenen Jahr wieder kräftig gestiegen. Die Finanzhilfen und Steuervergünstigungen kletterten gegenüber dem Vorjahr um gut sechs Milliarden Euro auf 29,5 Milliarden Euro, wie aus dem neuen Subventionsbericht hervorgeht, der an diesem Mittwoch im Bundeskabinett beschlossen werden soll. In diesem Jahr sollen die Subventionen wieder auf 24,4 Milliarden Euro sinken. Sie würden damit in etwa das Niveau von 2007 (23,7 Milliarden) erreichen. (APA)