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Das Prinzip der Kollegialität ist entscheidend für die Arbeit der Kommission.
José Manuel Barroso

 

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Mit einer Befragung der neuen EU-Außenministerin Catherine Ashton (53) haben am Montag in Brüssel die Anhörungen der künftigen EU-Kommission begonnen. Die Britinund der designierte Kommissar für den EU-Haushalt, der Pole Janusz Lewandowski, waren die ersten Kommissionsmitglieder, die sich dem politischen Verhör stellen mussten.

Ashton sagte, die Schaffung eines neuen diplomatischen Dienstes der EU sei ihre "Top-Priorität". Europa müsse sich außenpolitisch stärker als bisher engagieren: "Und wir müssen dafür sorgen, dass unsere Stimme gehört wird." Der designierte österreichische EU-Kommissar Johannes Hahn muss sich am Donnerstag den Fragen stellen. Hahn wird für die Regionalpolitik zuständig sein.

Insgesamt 27 Personen umfasst die EU-Kommission auch nach dem neuen EU-Vertrag von Lissabon, der seit 1. Dezember Gültigkeit hat. Wenn sich die designierten Kommissare den Fragen in den Fachausschüssen des Europäischen Parlaments stellen, dann kann nur einer von ihnen relativ gelassen sein: der Präsident.

José Manuel Barroso aus Portugal, ein Konservativer, hat das neue Team gemeinsam mit den Staats- und Regierungschefs der Mitgliedsländer zusammengestellt. Aber er selber muss nicht mehr „vorsingen". Das Plenum hat ihn bereits im September mit großer Mehrheit (wieder)gewählt. Dennoch kann Barroso eine gewisse Anspannung nicht verleugnen.

Denn vom Abschneiden seiner Kandidaten hängt letztlich auch sein persönliches Schicksal ab (siehe Frage/Antwort). Die Kommission funktioniert als Kollegialorgan. Scheitert sie, wackelt auch der Präsident, auch wenn er nach der Papierform eine enorme Machtfülle hat. Die Kommission ist „Herrin der EU-Verträge", nur sie kann europäische Gesetzesinitiativen ergreifen, muss übernational agieren. Der Präsident hat große Personalvollmachten. Umso penibler achten die EU-Abgeordneten darauf, eines ihrer wichtigsten Machtinstrumente - die Bestätigung der Kandidaten - für ihre Interessen und Zwecke zu nutzen. Über die Befragungen, mit den Festlegungen und Versprechungen der Kandidaten für die Zukunft, wird handfeste Politik gemacht.

Die Anhörungen sind nicht nur in der Sache streng, „hart, aber fair", wie eine Mandatarin betont. In ihnen bündelt sich viel an Symbolkraft für das sich wandelnde demokratische Wechselspiel in der Union. Dem Parlament hat das gegenüber Kommission und dem EU-Ministerrat der Nationalstaaten Zug um Zug deutlich mehr Einfluss gebracht hat. Mit jedem neuen EU-Vertrag mehr.

Barroso weiß das: „Das Prinzip der Kollegialität ist entscheidend für die Arbeit der Kommission." Barroso ist darauf bedacht, dass „seine" designierten Kommissare die Parlamentarier vorzüglich behandeln, ihre Rolle finden. Wochenlang wurden die Kandidaten von den Stäben der EU-Kommission trainiert, auf die vielen Fallstricke aufmerksam gemacht, sprachlich geschult, mussten Fachdossiers büffeln. Nicht weniger als dreimal hat Barroso sie in Brüssel versammelt, um sie auf die große politische Linie einzuschwören, wie Wissenschaftsminister Gio Hahn (Termin: Donnerstag) erzählte.

Da die großen Fraktionen von Christ- und Sozialdemokraten wie auch die Liberalen mit der Aufteilung der Ämter weitgehend zufrieden sind, ist ein Scheitern nicht wahrscheinlich. Aber Angriffsflächen gibt es genug: Die exkommunistische Vergangenheit des Tschechen Štefan Füle und des Ungarn László Andor dürfte ebenso ins Kreuzverhör kommen wie die überschäumende Freude von Frankreichs Staatschef Nicolas Sarkozy über die Besetzung des Agrarressorts mit dem Rumänen Dacian Ciolos, den man „ganz französisch geprägt" habe.

Oder auch die völlige Unerfahrenheit der neuen EU-Außenministerin Catherine Ashton im Bereich Außenpolitik.  (red/Thomas Mayer/DER STANDARD Printausgabe, 11.1.2010)