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Foto: AP/Andre Penner

Porto Alegre - Brasiliens größter Zucker- und Ethanolproduzent Cosan hat ein Imageproblem: Kürzlich setzte das Arbeitsministerium den Konzern mit einem Marktanteil von zehn Prozent auf die "schmutzige Liste" jener Unternehmen, die Arbeiter unter sklavenähnlichen Bedingungen beschäftigen. Daher muss der Multi bis auf weiteres auf die Förderung der staatlichen Entwicklungsbank BNDES verzichten, etwa auf einen Kredit in Höhe von umgerechnet 256 Millionen Euro für den Bau einer Zuckerfabrik im Bundesstaat Goiás.

"Sklavenähnliche Bedingungen"

Im Juni 2007 hatten Inspekteure des Arbeitsministeriums auf Zuckerrohrfeldern bei einer der 21 Cosan-Fabriken im Bundesstaat São Paulo 42 Arbeiter entdeckt, die unter sklavenähnlichen Bedingungen schufteten. Die Inspektoren listeten 13 Verstöße gegen die Arbeitsgesetzgebung auf, darunter das Fehlen von Trinkwasser am Arbeitsplatz. Zudem wurden die Wanderarbeiter aus Nordostbrasilien von einem Subunternehmer in Schuldknechtschaft gehalten.

An der Börse von São Paulo fiel der Aktienkurs des Zucker- und Ethanolriesen vergangene Woche deutlich. Ausländische Anleger halten den Löwenanteil der Cosan-Aktien. Der Konzern hat Verarbeitungskapazitäten für 61 Millionen Tonnen Zuckerrohr, das entspricht genau einem Zehntel der für 2009 geschätzten Menge in ganz Brasilien. Zudem ist Cosan der größte Ethanolexporteur der Welt, im dritten Quartal 2009 kam er auf einen Umsatz von 1,43 Milliarden Euro. Wegen der Rezession in den USA geht der größte Anteil des exportierten Agrosprits derzeit in die EU.

Am Freitag setzte der brasilianische Zweig der Supermarktkette Wal-Mart seine Lieferverträge mit Cosan aus. Petrobras und Shell wollten einen solchen Schritt ebenfalls prüfen, hieß es. In der Justiz erzielte der Multi jedoch einen ersten Erfolg: Ein Richter forderte das Arbeitsministerium auf, Cosan wieder von der "schmutzigen Liste" zu streichen, auf der sich 164 Unternehmen oder Farmen befinden. Auch Agrarminister Reinhold Stephanes hält die Maßnahme gegen Cosan für "übertrieben".

Hohe Dunkelziffer

2009 wurden in Brasilien nach Angaben der katholischen Kirche 4236 moderne Sklaven befreit, 36 Prozent davon in den Staaten des Südwestens. "Doch die Dunkelziffer ist um ein Vielfaches höher", sagte Xavier Plessat von der Landseelsorge CPT dem STANDARD. Jahr für Jahr träten 25.000 bis 40.000 neue Wanderarbeiter in den "Zyklus der Sklavenarbeit"ein. "Je mehr Kontrollen stattfinden, desto mehr Opfer werden sichtbar", berichtet der französische Mönch, der die Kampagne der Basiskatholiken zur Abschaffung der Sklavenarbeit leitet. Dass sich Firmen, die sich lediglich zur Einhaltung der gesetzlichen Mindeststandards verpflichten, mit Ökosiegeln schmücken, hält er für absurd.

Menschenunwürdige Arbeitsbedingungen herrschen aber nicht nur auf Zuckerrohrfarmen, sondern auch bei der Obsternte im Süden, auf Soja- oder Baumwollplantagen in Bahia oder in den Köhlereien Amazoniens. Sieben Jahre nach dem Amtsantritt von Präsident Luiz Inácio Lula da Silva sei die Bilanz "widersprüchlich", findet Xavier Plessat: "Im Arbeitsministerium gibt es echtes Engagement gegen die Sklavenarbeit, aber der Ausbreitung des Zuckerrohrs und anderer Monokulturen werden keinerlei Schranken gesetzt." (Gerhard Dilger aus Porto Alegre. DER STANDARD, Print-Ausgabe, 11.01.2010)