Wo steht die österreichische Innenpolitik zu Jahresbeginn 2010? Auf einem mitleiderregenden Niveau. Eindrucksvoll belegt durch aktuelle Vorfälle: Da gibt es eine Innenministerin, die allen Ernstes meint, die Entscheidung über ein Erstaufnahmezentrum für Asylwerber in einem Privatissimum mit einem schwarzen Bürgermeister-Parteikollegen ausdealen und dann der Bevölkerung aufs Aug drücken zu können.
Da ist ein Bundeskanzler, der Migrationspolitik zu einer Millionenshow degradiert, die um die Frage kreist, ob Eberau im Burgenland nun im Osten liegt oder doch im Süden vom Osten Österreichs oder vielleicht sogar im Norden - von Graz aus betrachtet?
Zur rot-schwarzen Versuchsanordnung gehört noch ein Pro-forma-Wissenschaftsminister, der - Studentenproteste hin oder her - sogar von seiner eigenen Partei als "dead man walking" auf dem Weg ins Brüsseler Ausgedinge ignoriert wird. Und da wäre noch eine Unterrichtsministerin, die staunender Öffentlichkeit und empörter Lehrerschaft eine budgettechnische "Punktlandung" mit einer Schwankungsbreite von 120 Millionen Euro andrehen will, für die sie im Vorjahr noch mit Rücktritt drohte.
Willkommen in der Welt der rot-schwarzen So-als-ob-Politik. Gemeinsamer Nenner: Es ist eine Politik der Infantilisierung - der Bevölkerung, aber auch der Politik selbst. Zuallererst werden die Wähler wie Unmündige behandelt, um nicht zu sagen: Sie werden für blöd verkauft - oder gehalten. Für ihre Pläne für ein Asylwerber-Zentrum hat Maria Fekter das Motto "Die Leute verstehen das sowieso nicht, also machen wir's hinterrücks" gewählt. Das ist eine Verhöhnung der Bevölkerung und eine Bankrotterklärung der Politik zugleich.
Genauso wie die Antwort der SPÖ, die wieder die Notfallskarte "Volksbefragung" zieht und die Stimme des Volkes entscheiden lassen möchte. Was in diesem Fall nur eine Selbstentmachtung der Politik aus Feigheit vor unpopulären Entscheidungen ist: Eine Regierung, die sich schlicht nicht traut, das Nötige zu tun.
Aber wozu sollte man sich denn überhaupt noch Politiker halten, wenn sie politisch nicht immer opportune, aber notwendige Entscheidungen lieber nicht selbst treffen? Verantwortungsvolle Politik ist vor allem Überzeugungsarbeit und Kommunikation mit der Öffentlichkeit.
Die dreht in der Hochschulpolitik seit dem angekündigten Abgang von Johannes Hahn seit Monaten eine Nullrunde. Jahreszeitlich angepasst quasi eine "Freeze" -Phase, in der alles erstarrt im Nichtstun. Die ÖVP, die die Hahn-Nachfolge exzessiv gelassen betreibt, handelt wie ein kleines Kind, das sich die Augen zuhält und glaubt, auch alle anderen sehen nichts. Aber das Uni-Problem ist noch immer da, trotz befreitem Audimax.
Und das - vor der offenbar für zu unbedarft gehaltenen Öffentlichkeit verborgene - Budgetkunststück Claudia Schmieds? Ist kein finanzpolitisches Bravourstück, sondern ein Salto mortale, der zwar gestanden wurde, aber um welchen Preis? Glaubwürdigkeit, die härteste Währung in der Politik.
Diese Art der Politik unterfordert ihr Publikum. SPÖ und ÖVP wären also gut beraten, 2010 endlich mit dem Souverän, den Bürgerinnen und Bürgern, auch souverän auf Augenhöhe zu kommunizieren, anstatt absurde Volten als seriöse Politik zu verkaufen. (Lisa Nimmervoll, DER STANDARD, Printausgabe, 11.1.2010)