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Großbanken wie HSBC gelten nicht als ökonomische Friedenstauben.

Foto: Reuters/Valentin Flauraud

Schwere Bankenkrisen hinterlassen in der Wirtschaft schmerzhafte und lang anhaltende Störungen. Aber sie bringen auch Überraschungen mit sich: Die kurzfristigen Lehren haben meist wenig mit den langfristigen Folgen gemein. Auf die Frage von Schuld und Verantwortung gibt es sofortige und offensichtliche Antworten, aber diese stimmen selten mit der neuen Finanzarchitektur überein, die letztlich entsteht.

Die Finanzkrise nahm 2007 ihren Anfang im amerikanischen Subprime-Hypothekensektor und in US-Banken, die "zu groß zum Scheitern" waren. Dies ließ viele Beobachter anfänglich an das Ende des amerikanischen Finanzkapitalismus glauben. Aber die am stärksten betroffenen Banken waren anderswo, und am Ende werden die Gewinner ein paar US-Banken - darunter einige chronisch schwache - sein, die als Folge der Krise noch größer werden. Dank riesiger Geldspritzen der Steuerzahler ist der amerikanische Kapitalismus wieder voll in Fahrt.

Die Erklärung, warum offensichtliche Schlussfolgerungen aus der Krise nicht gezogen werden, liegt in der seltsamen Natur des Finanzsektors. Banken stehen im Wettbewerb, aber der Bankensektor ist einer, in dem Wettbewerb nie gut funktioniert hat.

Der Kern des Finanzgeschäftes ist abhängig von der Reputation einer Institution, ihren Informationsnetzen und ihrer Fähigkeit, Märkte zu kreieren und gleichzeitig in ihnen zu handeln. Daher bietet Größe neben den Nachteilen, die in den vergangenen zwei Jahren offensichtlich wurden, auch unbestrittene Vorteile. Die Finanzmärkte werden meist von einer relativ kleinen Zahl von Firmen beherrscht.

In früheren Zeiten, als das Kreditwesen stabil und innerhalb der Nationalstaaten reguliert war, bildeten drei oder vier führende Banken ein Oligopol: Barclays, Lloyds, Midland und National Westminster in Großbritannien; Commerzbank, Deutsche und Dresdner in Deutschland. Stets gab es dabei den Verdacht von formellen oder informellen Bankkartellen, die sich auf Konditionen und Zinssätze einigten. Meist wurde dies von den Aufsichtsbehörden hingenommen. In den vergangenen zwei Jahrzehnten deutete sich durch die Internationalisierung eine neue Landschaft an, in der eine Handvoll von Banken den Weltmarkt aufteilen würden. Institute strebten nach der besten Position, um von der Finanzglobalisierung profitieren zu können, und dies bedeutete meist, sich in jenem Land niederzulassen, wo die Regulierung am lockersten war.

Banken wuchsen rasch, und dies führte zu neuen Problemen. Sie hatten etwa Mühe, die vielen verschiedenen Tätigkeiten zu managen. Es gab inkompatible Computerprobleme, kriminelle Mitarbeiter und sehr unterschiedliche nationale Unternehmenskulturen. Die größten Banken der Welt fanden sich fast unausweichlich in Schwierigkeiten. In den Neunzigerjahren waren die größten Institute alle japanisch. Wer erinnert sich heute noch an Daiichi Kangyo?

Die Finanzkrise hat auf die Frage nach den wichtigsten Wettbewerbsvorteilen eine neue Antwort gegeben. Aus Sicht der Banken ist es ein starker Nationalstaat, der die potenziellen Kosten einer Rettung tragen kann. Eine Bank will nicht dort sein, wo die Aufsicht am laxesten ist, sondern wo der Staat über die größten Budgetmittel verfügt.

Große Banken in kleinen Ländern mit geringem Steueraufkommen sind besonders verwundbar. Die USA können mit Riesen wie Bank of America und Citigroup fertig werden. China kann seine Großbanken selbst dann verdauen, wenn sie viele faule Kredite auf ihren Büchern haben.

Europas Banken sind hingegen in einer gefährlichen Lage. Irland und Island sind zwei Beispiele, wo der Finanzsektor ein Land wie ein Krebsgeschwür befiel und am Ende zerstörte. Selbst in Frankreich und Deutschland übersteigen die Risiken der großen und international tätigen Banken die Fähigkeit der Staaten, sie im Notfall aufzufangen.

Dazu kommt die Schwierigkeit zu entscheiden, welches Land für welchen Teil einer Rettungsaktion verantwortlich ist - etwa, wenn eine mitteleuropäische Bank einer österreichischen gehört, die von einer italienischen aufgekauft wird. Als Folge setzen sich die großen grenzüberschreitenden Institute nun für eine gesamteuropäische Aufsicht ein - und damit auch implizit für eine EU-weite Rettungsaktionen, wenn die Regulierung versagt.

Bei den Banken, die bisher aufgefangen wurden, erzwingen die europäischen Wettbewerbsregeln eine Verkleinerung. So fordert die EU-Wettbewerbsdirektion von der Royal Bank of Scotland, die 2009 an der Spitze der größten internationalen Banken stand, zahlreiche ihrer Bereiche abzustoßen.

Selbst die stärkeren Banken werden gezwungen, ihr Eigenkapital zu erhöhen. Das bedeutet meist, dass sie die Kreditvergabe einschränken müssen, was die Auswirkungen der Finanzkrise auf die übrige Wirtschaft verschärft.

Im Gegensatz dazu drängt die US-Regierung die Großbanken, kleinere und schwächere Institute zu übernehmen, und tut jetzt alles, um die Kreditvergabe zu beschleunigen.

Die Reaktion von Staaten auf eine Finanzkrise sind voller Widersprüche. Je mehr wir auf Wettbewerb im Bankensektor drängen, desto größer das Risiko für die einzelnen Banken. Je eher die Regierungen zum Eingreifen bereit sind und über je mehr Mittel sie verfügen, desto mehr Vorteile genießen große Banken und große Staaten.

In den vergangenen 20 Jahren waren kleine, offene Volkswirtschaften weltweit führend. Die nächsten 20 Jahre werden eine andere Art der Globalisierung bringen. Die Gewinner werden große, mächtige Staaten sein, die im Kampf um die internationale Vorherrschaft im Finanzsektor massive öffentliche Mittel zugunsten ihrer Banken mobilisieren können. (Harold James, DER STANDARD, Print-Ausgabe, 11.01.2010)