Verkehrsplaner Hermann Knoflacher warnt vor einer Einführung der City-Maut in Wien.

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Wien - Die Wiener werden im Rahmen der Volksbefragung im Februar darüber entscheiden, ob sie für oder gegen die Einführung einer City-Maut sind. Kein Freund der Maßnahme ist der prominente Verkehrsplaner Hermann Knoflacher. Er warnte vor möglichen Folgen für innerstädtische Bereiche. Diese hätten mit wirtschaftlichen Nachteilen zu rechnen - weil Konsumenten auf Shopping-Center im Umland ausweichen könnten.

Aufklärungs-Initiative

Knoflacher forderte eine umfangreiche Aufklärungs-Initiative vor dem Urnengang, der vom 11. bis zum 13. Februar über die Bühne gehen wird: "Man muss ja die Folgewirkungen berücksichtigen, bevor man solche Sachen fragt. Die Leute, die das beantworten, sollten wissen, was da herauskommt." Die City-Maut habe so wie alle Maßnahmen ihre Pro und Kontras. Darüber müsse man informieren.

"Genauso gut kann ich fragen: Sind sie dafür, dass man keine Steuern mehr zahlt? Dann krieg ich eine absolute Mehrheit", gab Knoflacher zu bedenken. Wenn man dazu sage, dass es dann keine Sicherheitsmaßnahmen mehr gebe, keine Gesundheitsvorsorge und keine Altersvorsorge, dann schaue die Geschichte schon wieder anders aus.

Die City-Maut sei jedenfalls nur eine symptomorientierte Maßnahme: "Sie greift beim Fließverkehr an und nicht bei den Ursachen." Und man müsse die Größe der Stadt berücksichtigen und die Frage stellen, was man unter City verstehe. Die Maßnahme in London etwa ist laut Knoflacher nicht zu vergleichen: "Dort leben zwölf Millionen Leute." Westminster, wo die Maut eingehoben werde, sei ein "kleines Fuzzerl". Dort gebe es kein Problem: "Das macht dem Gesamtorganismus nichts."

In Wien sehe die Sache anders aus. Eine Stadt, so betonte Knoflacher, sei nicht an den Grenzen zu Ende. Und die Wirtschaft, die zum Teil vom Auto abhängig sei, könne durchaus betroffen sein. Kunden könnten in den Speckgürtel ausweichen. "Da müsste man gleichzeitig eine Maut bei den Parkplätzen der Shopping-Center einführen. Das wäre ein Ausgleich", so der Vorschlag des Verkehrsexperten.

"Ursachen bekämpfen"

Er sprach sich dafür aus, statt Symptomen die Ursache zu bekämpfen. Wien habe das bereits getan: "Wir haben eine Reihe von Parkplätzen aus dem 1. Bezirk herausgenommen. Das ist die höchste Form der Maut." Und man könne in den Innenbezirken auch nicht mehr kostenlos parken: "In Wirklichkeit haben wir eine Form der City-Maut, nur nicht in dieser Art, wie es die Elektronikfirmen gerne hätten. Die haben natürlich größtes Interesse, ihre Sachen anzubringen."

"Wenn man daran denkt, dass man Ende der 1960er-, Anfang der 70er-Jahre ernsthaft daran gearbeitet hat, den 1. Bezirk gänzlich autofrei zu machen, dann sieht man erst, wie weit wir da zurückgefallen sind", resümierte Knoflacher. Nun werde bei den Symptomen "herumgenudelt". Viel besser wären "klare Lösungen". Man müsse die Autos von der Oberfläche weg in die Parkgaragen bekommen.

Eine Prognose über den Ausgang der Befragung wolle er nicht wagen: "Das kann man überhaupt nicht sagen." Seiner Meinung handle es sich beim Thema City-Maut um eine Sondierungsfrage. Er könne sich durchaus vorstellen, dass die Verantwortlichen mit einer Ablehnung rechnen. Damit wäre das seit Jahren diskutierte Thema vom Tisch. "Das wäre politisch eine nicht ungeschickte Lösung", befand Knoflacher.

Blaue Kritik an "Inkassoaktion" und "Abzocke"

Durch die Aussagen Knoflachers in seiner Ablehnung einer City-Maut für Wien bestätigt sieht sich FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache. "Wenn sogar erklärte Autogegner wie Knoflacher vor der City-Maut warnen, müsste auch bei den Träumern in den Reihen von SPÖ und Grünen endlich ein Umdenken stattfinden", befand Strache in einer Aussendung. Dies scheint jedoch nicht der Fall zu sein: Die Grünen bekräftigten am Montag ihre Forderung nach Einführung einer solchen Maßnahme.

"Häupls Inkassoaktion würde bei marginalen Lenkungseffekten im Verkehrsbereich große wirtschaftliche Schäden für die Betriebe im 1. Bezirk mit sich bringen", kritisierte der FP-Chef. Er bezeichnete eine City-Maut als "weitere Autofahrer-Abzocke". Was die Wiener davon halten, können sie im Rahmen der Volksbefragung im Februar kundtun. Sie werden gefragt, ob sie für die Einführung einer derartigen Maßnahme sind.

Grüne fordern Maut am Stadtrand

Der Umweltsprecher der Wiener Grünen, Rüdiger Maresch, hielt indessen seine Forderung nach einer City-Maut aufrecht: "Durch eine auf Wien abgestimmte City-Maut ab dem Stadtrand kann der Kaufkraftabfluss gestoppt werden. Die Annahme, eine solche Maut hätte negative Folgen für die Wirtschaft in der Innenstadt, ist schlicht falsch, denn das Einkaufen im Wiener Speckgürtel wird durch eine Maut am Stadtrand unattraktiver."

Die Wiener Wirtschaft würde so wie die Wiener von einer solchen Maßnahme profitieren, zeigte sich Maresch überzeugt. Dies zeige sich etwa in Stockholm, wo die City-Maut den Verkehr um 15 Prozent verringert habe.

"Österreichs Klimaschutz-Ziele sind nur durch Maßnahmen auch beim Autoverkehr erreichbar. Hier sind die Städte und Länder gefordert, genauso wie bei der Feinstaubbekämpfung", betonte Maresch. Es sei bedauerlich, dass Bürgermeister Häupl durch eine "tendenziöse und suggestive Pseudo-Volksbefragung" wirksame Klimaschutzmaßnahmen abschießen wolle.

Autofahrerclubs dagegen

Die beiden Autofahrerclubs ÖAMTC und ARBÖ zeigten sich als Reaktion einig in ihrer Ablehnung der City-Maut: "Teuer und nicht zielführend", so ÖAMTC-Experte Mario Rohracher. Eine unsoziale Maßnahme gegen die Pendler, so ARBÖ-Geschäftsführer Herbert Hübner. Beide lobten die derzeitige Parkraumbewirtschaftung, die funktioniere, akzeptiert sei und die zu ändern es keinen Bedarf gebe. (APA)