Der Vorschlag von Innenministerin Maria Fekter, Asylwerber einer "Anwesenheitspflicht" im Erstaufnahmezentrum von bis zu einem Monat zu unterwerfen, wird von Verfassungsexperten einhellig als rechtswidrig bezeichnet.
Fekters Aussage, es handle sich um keine Haft, sondern nur um eine "Anwesenheitspflicht", wurde von Verfassungsjurist Heinz Mayer am Montag zurückgewiesen: "Das ist zweifellos eine Haft, wenn man Leute zwingt, 28 Tage in einem bestimmten Transitraum oder einem Lager zu verbringen", so Mayer. Der Verfassungsgerichtshof habe bereits 1992 entschieden, dass dies nicht rechtskonform sei. "Man kann nicht generell Leute, die um Asyl ansuchen, einsperren, um dann vielleicht einige von ihnen abschieben zu können", erklärte Mayer im Ö1 "Morgenjournal".
Auch Verfassungsjurist Bernd Christian Funk verurteilte Fekters Vorschlag. Dieser sei ein Eingriff in die Persönliche Freiheit, der sowohl vom Bundesverfassungsgesetz als auch durch die Menschenrechtskonvention für unzulässig erklärt werde, so Funk.
Dem Urteil, dass es sich sehr wohl um eine Inhaftierung handle, schloss sich am Montag auch Verfassungsrechtler Theo Öhlinger an. Das sei "ganz sicher weder mit der Bundesverfassung noch mit der Menschenrechtskonvention vereinbar. Vorsichtigen Widerspruch gab es diesbezüglich von Verfassungsjurist Bernhard Raschauer vom Wiener Juridicum: Es sei "eine Frage der Ausgestaltung", ob Fekters Vorschlag verfassungsgemäß ist oder nicht. Im Fall des britischen Anhaltezentrums Oakington gebe es eine Entscheidung des Europäischen Menschenrechtsgerichtshofs, wonach die Aufenthaltspflicht im Lager während der Dauer der Schnellprüfung menschenrechtskonform sei.
Fekter kündigt "verfassungskonformen Vorschlag" an
Die ÖVP ließ solche Bedenken nach der ÖVP-Klausur in Altlengbach am Montag nicht gelten - und kündigte einen "verfassungskonformen Vorschlag" dafür an. Sie räumte zwar ein, dass der Verfassungsgerichtshof einen ähnlichen Plan bereits 1992 gekippt hatte. Seither habe der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte aber einen "Rahmen vorgegeben", innerhalb dessen man das umsetzen könne, so die Ministerin: "Daher werden wir, da können Sie sicher sein, einen verfassungskonformen Vorschlag machen."
Nötig wäre laut Fekter eine zeitliche Befristung des verpflichtenden Aufenthalts und die Gewährleistung des rechtlichen und sozialen Schutzes der Flüchtlinge. Zudem müssten die Umstände klar geregelt werden, unter denen die Verpflichtung entfällt, so die Ministerin. Anders als 1992 spreche man außerdem nicht von mehreren Monaten des verpflichtenden Aufenthalts.
Verteidigungsminister Norbert Darabos, der Montag mittag zu einem Krisengespräch mit Fekter zusammengetroffen ist, zeigte sich gespannt auf den Entwurf: "Haft oder Einsperren steht für die Sozialdemokratie nicht auf der Tagesordnung."
Pröll: "Menschenwürdige Umstände"
Vizekanzler Josef Pröll verteidigte Fekters Vorschlag und begründete diesen mit der Notwendigkeit eiees dritten Erstaufnahmelagers: Derzeit müsse man die Flüchtlinge in Traiskirchen und Thalham zusammenpferchen - "das ist menschenverachtend", kritisierte Pröll. Daher sei ein drittes Zentrum nötig. Dafür werde man eine Infrastruktur schaffen, die "menschenwürdige Umstände" ermögliche. Pröll übte Kritik an Verfassungsrechtlern, die sich aus seiner Sicht zu früh - nämlich ohne einen konkreten Gesetzesentwurf zu kennen - zur Causa geäußert hätten.
Amnesty: "Asylantrag kein Delikt"
Kritik gab es indes auch seitens der Menschenrechtsorganisation Amnesty International (AI) und der Caritas. Man könne Menschen nur dann in Haft nehmen, wenn sie etwas angestellt hätten, betonte Amnesty-Generaldirektor Heinz Patzelt. "Wenn die Frau Innenministerin das Anwesenheitspflicht nennen will, ist das ein Euphemismus. Es geht um Haft", stellte Patzelt fest. "Das Stellen eines Asylantrags ist in Österreich Gott sei Dank noch immer kein Delikt."
In entwickelten Rechtsstaaten gebe es ein solches System lediglich in Großbritannien, dort stünden die "Detention Centers" ständig am menschenrechtlichen Kritikprüfstand. Australien habe sich wieder davon verabschiedet.
Caritas: "Wer rettet Österreich vor Fekter?"
Auch bei der Caritas der Erzdiözese Wien ist man entsetzt. "Will die Innenministerin mit der Anwesenheitspflicht allen Ernstes alle Hilfesuchenden einsperren?", fragte Direktor Michael Landau in einer Aussendung: "Diese skurrilen Aussagen machen einmal mehr deutlich, dass das Asyl- und Integrationsthema im Innenministerium schlecht aufgehoben ist. Wer rettet Österreich vor Innenministerin Maria Fekter?" (APA, red, derStandard.at)