Je nach Schweregrad erleiden Patienten im Laufe ihres Lebens hunderte von Knochenbrüchen oder auch nur wenige.

Foto: Osteogenesis Imperfecta Austria

Frakturen können durch unterschiedliche chirurgische Maßnahmen wie Nagelungen (im Bild), Bandagierungen oder künstliche Gelenke behandelt werden.

Foto: Osteogenesis Imperfecta Austria

Durch Filme wie "Unbreakable" oder "Die fabelhafte Welt der Amélie" gelangte eine seltene Krankheit in den Blickpunkt der Öffentlichkeit: Osteogenesis Impferfecta (OI), oder wie sie im Volksmund oft genannt wird, die "Glasknochenkrankheit". Der Name geht einerseits auf die leichte Brüchigkeit der Knochen, andererseits auf deren glasige Erscheinung im Röntgenbild zurück. Das Wort "Krankheit" hören Betroffene aber eher ungern, denn "eigentlich sind wir alle gesund, nur brechen unsere Knochen leichter, manchmal sind wir auch etwas kleiner... aber sonst unterscheidet uns nichts von den anderen...", heißt es auf der Homepage der österreichischen Selbsthilfegruppe "Osteogenesis imperfecta Austria".

Menschen mit dieser seltenen genetischen Störung - in Österreich sind es rund 400 Personen - ziehen sich bereits bei geringen Belastungen oder auch grundlos Frakturen zu. Bereits ein fester Händedruck, ein Schlag auf einen Ball oder ein Hustenanfall können ausreichen, um einem Menschen mit Glasknochen eine Fraktur zuzufügen. Betroffene sind daher häufig sehr stark in ihrer Beweglichkeit eingeschränkt. Je nach Schweregrad erleiden Patienten im Laufe ihres Lebens unzählige oder auch nur wenige Knochenbrüche.

Warum die Knochen brüchig sind

OI geht auf eine genetische Störung zurück, bei der die Produktion von Kollagen Typ 1 im Körper fehlerhaft ist. Es wird entweder zu wenig oder qualitativ minderwertiges Kollagen produziert. "Bei OI kommt es zu einer Störung im Kollagengerüst, der wichtigsten Komponente im Bau von Knochen, Haut und Sehnen. Das Knochenmineral ist in diesem Kollagengerüst verankert. Es nützt aber das ganze Mineralkristall nichts, wenn es nicht ordentlich verankert ist", erklärt Osteologe und Rheumatologe Heinrich Resch, Vorstand der II. Medizinischen Abteilung bei den Barmherzigen Schwestern in Wien. Im Gegensatz zu Osteoporose ist die Ursache daher nicht ein Mangel an Knochenmineral, sondern ein Qualitätsdefekt, der dem Knochen Halt, Elastizität und Festigkeit und somit die wichtigsten biomechanischen Eigenschaften nimmt. Auftretende Frakturen verheilen oft nur verzögert und wachsen nicht mehr gerade zusammen, was ohne entsprechende orthopädisch-chirurgische Maßnahmen zu Deformierungen führt.

Genetischer Defekt mit vielen Gesichtern

Osteogenesis Imperfecta hat viele Gesichter. Je nach Gendefekt und Schwere der Erscheinungsform sind derzeit sieben verschiedene Typen bekannt. "Es können bereits Neugeborene betroffen sein, die sich vor bzw. während der Geburt Knochen brechen. Bei gewissen Typen der OI kommt es besonders während der Kindheit zu einer ausgeprägten Fragilität. Leichte Formen bleiben häufig auch unentdeckt, können mit Osteoporose verwechselt werden oder sind in höherem Alter ein Zufallsbefund", so der Knochenexperte. Das wichtigste bei der Diagnose ist das klinische und radiologische Erscheinungsbild, mittlerweile können die Kollagendefekte auch molekulargenetisch nachwiesen werden.

Neben den zahlreichen Knochenbrüchen und der schlechten Frakturheilung können unter Umständen auch andere Merkmale und körperliche Probleme auftreten, erklärt Resch. So haben etwa viele Patienten eine geringe Körpergröße, leiden unter frühzeitigem Gehörverlust und Zahnproblemen, weisen verfärbte Skleren (das Weiß der Augen), eine veränderte Kopfform oder eine Überstreckbarkeit der Gelenke auf.

Prävention groß geschrieben

Eine Heilung der genetischen Störung ist derzeit nicht möglich, die Therapie beschränkt sich daher auf allgemeine Adaptierung des Lebensstils, Frakturprävention und operative Behandlung sowie eventuelle plastische Korrekturen von Verformungen. Vorbeugung ist bei der Erbkrankheit ein essentieller Faktor, der den Betroffenen viele Schmerzen ersparen kann. Patienten können mittels Physiotherapie neue Bewegungsmuster lernen und Muskelpartien stärken, die Brüchen vorbeugen sollen. Liegt bereits eine Fraktur vor, gibt es verschiedene chirurgische Maßnahmen wie Nagelungen, Bandagierungen und künstliche Gelenke zur Wiederherstellung des Knochens. Eine medikamentöse Behandlung zur Knochenstärkung mit so genannten Bisphosphonaten ist nur in bestimmten Lebensabschnitten sinnvoll. Vor allem bei Kindern führen diese zu einer Verminderung der Frakturrate über einige Jahre. "Leider gibt es noch keine gentechnologische Medikation, die das defekte Gen durch eine gute Gencodierung ersetzt", sagt Resch abschließend. (derStandard.at, 13.01.2009)