Bild nicht mehr verfügbar.

Laut einer Umfrage plädieren 65 Prozent für ein Überwachungsverbot.

Foto: dpa/Büttner

E-Mails, Internetnutzung oder etwa Krankenstandstage: Über ein Viertel der österreichischen Arbeitnehmer glaubt, dass im Büro jemand ein Auge drauf hat. Respektive, dass der Arbeitgeber die Aktivitäten seiner Mitarbeiter überwacht. Das ist das Ergebnis einer Umfrage, die die Arbeiterkammer Oberösterreich präsentierte. Im Gespräch mit Oliver Mark erklärt Drago Velebit, Rechtsexperte der AK, was in Sachen Überwachung erlaubt ist und was nicht.

derStandard.at: Wie würden Sie die Situation in Österreich einschätzen: ist die Überwachung am Arbeitsplatz zunehmend ein Thema?

Velebit: Das Ergebnis der Umfrage, dass sich so viele Arbeitnehmer überwacht fühlen, kommt nicht von ungefähr. Die Überwachung am Arbeitsplatz nimmt tatsächlich zu. Ein Bereich, der immer mehr im Kommen ist, ist etwa die Verwendung von Videokameras. Generell lässt sich einfach eine Tendenz zur Beobachtung feststellen - etwa an öffentlichen Orten - und das fördert natürlich die Akzeptanz von betrieblichen Kontrollen.

derStandard.at: Wann dürfen in Büros Videokameras als Überwachungsinstrumente zum Einsatz kommen?

Velebit: Videokameras, die ständig auf mich als Arbeitnehmer gerichtet sind und mich überwachen, sind verboten, weil sie die Menschenwürde missachten. Sie verletzen mich in meiner Privatsphäre, weil sie mich ständig im Blickwinkel haben. Zulässig ist es, Kameras zu installieren, die größere Bereiche des Arbeitsplatzes - etwa einen Eingangsbereich oder Lagerhallen - überwachen.

derStandard.at: Aber in Eingangsbereichen befinden sich auch Mitarbeiter, die dann gefilmt werden.

Velebit: Ja, das betrifft zum Beispiel das Sicherheitspersonal. Überwachungsmöglichkeiten im Eingangsbereich zum Beispiel bei Banken oder im Gericht sind grundsätzlich in Ordnung, weil es da eine erhöhte Risikozone gibt.

derStandard.at: Wie sieht es aus, wenn es im Büro zu Diebstählen kommt. Wäre hier eine Videoüberwachung legitim?

Velebit: Nein, auch das wäre nicht zulässig. Diebstähle im Büro könnten durch andere Maßnahmen aufgeklärt werden. Zu beobachten, ob ich jetzt am PC arbeite, mit meinen Kollegen rede, gerade in der Nase bohre oder zu kontrollieren, wie oft ich aufs Klo renne, ist nicht gestattet.

derStandard.at: Ist die private Internetnutzung im Büro prinzipiell erlaubt, wenn keine explizite Regelung existiert?

Velebit: Bei der privaten Benutzung des PC muss man differenzieren: gibt es überhaupt Vorschriften vom Arbeitgeber, dass der Computer nicht für Privates benutzt werden darf? So ein Nutzungsverbot ist jederzeit möglich. Wenn man dagegen verstößt, ist das sogar ein Entlassungsgrund. Wenn es eine ausdrückliche Erlaubnis gibt, dann kann ich ihn dafür nutzen, wenn ich nicht gerade potenziell mit Viren verseuchte Seiten ansurfe oder Seiten mit verbotenem Inhalt.

derStandard.at: In welchem zeitlichen Rahmen darf sich das abspielen?

Velebit: Wenn ich am Arbeitsplatz täglich zwei Stunden privat im Internet surfe, dann wäre das eine missbräuchliche Verwendung und kann trotz Erlaubnis ein Entlassungsgrund sein, sollte ich das zu exzessiv nutzen. Gibt es keine ausdrückliche Regelung seitens des Arbeitgebers, dann geht man davon aus, dass die private Nutzung grundsätzlich erlaubt ist. Die Arbeitsleistung darf halt nicht darunter leiden.

derStandard.at: Was ist, wenn es den Verdacht gibt, dass Seiten mit pornografischem Inhalt angesurft werden?

Velebit: Wenn ich als Arbeitgeber sage, dass privates Surfen erlaubt ist, mir aber dann anschaue, welche Webseiten jemand besucht, dann ist das ein Verstoß gegen die Menschenwürde. Ohne explizite Zustimmung darf ich mir über den Server nicht anschauen, welche Seiten aufgerufen wurden. Kontrollmaßnahmen sind hier nicht legitim.

derStandard.at: Dürfen E-Mails am Arbeitsplatz kontrolliert werden?

Velebit: Bei den Mails gilt die Achtung der Privatsphäre bzw. des Briefverkehrs. Da gibt es den Verstoß gegen das Briefgeheimnis bzw. gegen das Telekommunikationsgesetz. Der Arbeitgeber darf meine E-Mails nicht anschauen, außer es ist ganz klar ersichtlich, dass es sich um ein berufliches Mail handelt. Aber das muss eindeutig sein.

derStandard.at: Das heißt, private Mails sind für den Arbeitgeber sowieso tabu. Wie ist es ersichtlich, dass es sich um dienstliche Mails handelt?

Velebit: Wenn im Betreff zum Beispiel die Kundennummer steht oder so etwas wie "Auftragsbestätigung", dann kann der Arbeitgeber reinschauen. Die Firma darf auch keine Spyware installieren, um sich von privaten Mails Kenntnis zu verschaffen. Damit würde man sich strafbar machen.

derStandard.at: Was ist, wenn Mail-Kontrollen mit dem Betriebsrat abgestimmt sind?

Velebit: Grundsätzlich kann der Arbeitgeber die Verwendung von Betriebsmitteln mit dem Betriebsrat in einer Betriebsvereinbarung regeln. Es gibt eine explizite Regelung bei der Verwendung von Kontrollmaßnahmen in technischen Systemen. Nämlich: es bedarf der Zustimmung des Betriebsrates.

derStandard.at: Und wenn es keinen Betriebsrat gibt?

Velebit: Dann muss jeder Arbeitnehmer in Form eines Einzelvertrages zustimmen. Ohne ausdrückliche Zustimmung ist das verboten.

derStandard.at: Bei etwaiger Mail-Kontrolle muss also der Arbeitnehmer auf jeden Fall sein Einverständnis geben?

Velebit: Richtig. Selbst eine Zustimmung des Betriebsrates und des Arbeitnehmers ändert nichts an der Gesetzeswidrigkeit, wenn private Mails kontrolliert werden. Dienstliche Mails nur, wenn es die unzweifelhafte Zuordnung zum beruflichen Kontext gibt.

derStandard.at: Dürfen Telefongespräche überwacht werden?

Velebit: Beim Telefon kann der Arbeitgeber verbieten, es für private Zwecke zu nutzen, aber man wird es nicht hundertprozentig durchsetzen können, insbesondere wenn es um Notfälle wie ein erkranktes Kind oder Reparaturarbeiten geht. Wichtige private Interessen des Arbeitnehmers gehen einem Verbot vor.

derStandard.at: Darf der Arbeitgeber Telefongespräche der Mitarbeiter aufzeichnen?

Velebit: Nein, das ist verboten.

derStandard.at: Welche Regelung gibt es bei Dienstfahrten? Dürfen die mittels Ortungssysteme kontrolliert werden?

Velebit: Wenn ich bei meinem Dienstauto etwa ein GPS-Ortungssystem habe, dann muss mir das gesagt werden, dass es installiert ist. Es muss die technische Möglichkeit geben, es für private Zwecke auszuschalten; etwa wenn man eine Pause macht.

derStandard.at: Können Mitarbeiter Auskunft verlangen, ob und welche "Überwachungsmaßnahmen" in ihrer Firma stattfinden?

Velebit: Es gibt die Bestimmung, dass der Arbeitgeber den Arbeitnehmer über den Einsatz von Überwachungsmaßnahmen informieren muss. Der Betriebsrat muss über die Art der Aufzeichnung von personenbezogenen Daten informiert werden, über die Grundlagen der Übermittlung der Daten und über die Daten selbst. Ohne Betriebsrat muss das den Arbeitnehmern selbst mitgeteilt werden. (derStandard.at, 11.1.2010)