Wer hat diese gute Pasta versalzen? - Jesse Inman alias MarlonBrando alias Don Vito Corleone.

Foto: John Etter

Beim SpielArt-Festival in München erwies sich das Kultfilm-Reenactment als vergnügliche Mafia-Party.

Don Vito Corleone, wie er leibt und lebt, mit seiner New Yorker Familie, mit sizilianischem Essen und Trinken und melancholischen Gesängen; und das alles live – mit breiten Hosenträgern und originalgetreuen Backenwatteröllchen, so wie sie Marlon Brando in Francis Ford Coppolas Mafia-Klassiker The Godfather/ Der Pate (1972 ff.) im Mund getragen hat: ein Angebot, das Sie nicht ablehnen können? Ganz genau.

Die um Regisseur Tomas Schweigen formierte Gruppe Far A Day Cage (FADC) aus Zürich hat sich den Kultfilm hergenommen, um in einem nicht nur zeitlich ausufernden Theaterabend (200 Minuten) Realität und Mythos des Films zusammenzuführen – und auf diesem Weg auch Rezeptionsmechanismen des Theaters mitzuverhandeln. Mit relativer Genauigkeit (vor allem, was die Kult-Zitate betrifft) erzählt Pate I-III die Geschichte der von argen Wechselfällen des Mafia-Schicksals geplagten Corleone-Dynastie nach.

Es beginnt in der Küche, wo ein riesiger Pasta-Topf mit erlesenen Zutaten gefüllt und langsam zum Kochen gebracht wird. Irgendwer versalzt den Brei, und bevor herausgefunden werden kann, wer Schuld an der Misere trägt, kippt schon der erste Kopf nach hinten. Dann gleich ein zweiter, der Telefonapparat läutet, und jemand schaltet den Plattenspieler ein...

In solchen Momenten spielt das Theater die Atmosphären des Films nach, gibt klugerweise aber schnell wieder auf, um nicht dem puren Historismus zu verfallen. Denn der Schweizer Off-Gruppe geht es in ihrer aufwändigen Auseinandersetzung mindestens ebenso sehr um die Entstehungsgeschichte der Filmtrilogie, der ihrerseits einige "La Famiglia" -Lösungen eigen sind (es spielen immerhin einige Coppolas mit). Der Abend ist also ein Aufriss mehrerer Realitätsebenen: die Handlung des Films, der Dreh des Films, der Film als Reenactment am Theater.

All das ist Thema dieses Mammutabends, dessen Stränge mit fortschreitender Zeit immer mehr ineinandergreifen. Während es zu Beginn noch um subtile Regieideen geht (etwa wird ein weißes Tischtuch mit einem Handgriff schnell zur Leinwand), so gewinnt die jeweilige Reflexion zunehmend an Raum, bis sich schließlich der im Ensemble geführte Diskurs auf das Publikum ausweitet. Fans können hier mit Detailwissen punkten.

Die Familien-Combo

Spannender als diese ungewöhnlich aktive Form der Publikumskommunikation ist allerdings der Part der Live-Musik. Aus der großen Mafia-Familien-Tafel, zu der man als Zuschauer irgendwann unversehens einfach dazugehört, weil man von ihrem Tisch gegessen und von ihrem Wein getrunken hat, nimmt das Figurenpersonal später, wenn das Vorgefallene nur mehr zu Beweinen ist, als Band Aufstellung. Und Pate II Michael Corleone (großartig: Silvester von Hösslin) singt, so herzergreifend, dass man meinen könnte, alles wird noch gut. Das ist nicht nur nette Musik, sondern auch die feierliche Hingabe an das kulturelle Gedächtnis eines Films.

Johannes Maile, Theaterleiter im Wuk, bringt die internationale Koproduktion nach Stationen u.a. beim SpielArt Festival in München nun nach Wien. FADC gastiert zwischen 16. und 19. Jänner in den Kultur-Werkstätten, jeweils 20 Uhr. In den letzten Jahren hat die Compagnie mit anderen außerformatigen Theaterentwürfen allseits Interesse erzeugt; in Wien gastierte sie zuletzt 2007 mit Nothing Company im Koproduktionshaus Brut. (Margarete Affenzeller aus München, DER STANDARD/Printausgabe, 12.01.2010)