Pröll zu den Einwänden von Verfassungsrechtlern, Asylwerber festzuhalten: "Interessant, dass Experten bereits etwas bewerten, wofür es noch keinen Gesetzestext gibt. Ich halte das für grob fahrlässig."

Foto: Matthias Cremer

STANDARD: Macht die ÖVP für das Wahljahr 2010 rechts schon alle Schotten dicht?

Pröll: Keineswegs, wir beginnen das neue Jahr ganz einfach so, wie wir das alte beendet haben: Nämlich mit Lösungen für das Land in allen wichtigen Bereichen - und das gilt auch für das Asylwesen.

STANDARD: Ihre Innenministerin Maria Fekter will Asylwerber bis zu vier Wochen lang in den Aufnahmezentren kasernieren - und stößt damit nicht nur Menschenrechtler sondern auch den Koalitionspartner SPÖ vor den Kopf. Zufrieden mit diesem Vorstoß?

Pröll: Natürlich wird dieser Vorschlag von mir unterstützt, denn: Ich halte es für richtig, dass wir einerseits die Sorgen der Menschen ernst nehmen, und andererseits bessere Perspektiven für die Asylpolitik entwickeln. Klar ist, dass das entsprechende Gesetz verfassungskonform auszuarbeiten ist.

STANDARD: Gerade Verfassungsexperten urgieren aber, dass es menschenrechtswidrig sei, Asylwerber wochenlang festzuhalten. Dies komme einer "Freiheitsberaubung" gleich.

Pröll: Interessant, dass die Experten bereits jetzt etwas bewerten, wofür es noch gar keinen Gesetzestext gibt. Ein solches Vorgehen halte ich in der Debatte für grob fahrlässig und entbehrlich. Tatsache ist, dass es entsprechende Präzedenzfälle in Europa gibt, auf die man sich stützen kann. Und Tatsache ist, dass es in den Asylzentren eine bessere Infrastruktur geben wird, mit der die Bewertung der Anträge zügiger vorgenommen werden kann. Und noch etwas steht für mich fest: Bei steigenden Asylzahlen ist zu gewährleisten, dass es in den bestehenden Zentren Traiskirchen und Thalham zu keinen unmenschlichen Zuständen kommt. Es kann nicht sein, dass man dort Menschen zusammenpfercht. Daher braucht es eine Entlastung - durch ein drittes Zentrum.

STANDARD: Nach den Protesten besteht die Innenministerin nicht mehr auf Eberau als Standort. Wäre es nicht klüger, anstatt in kleinen Gemeinden Asylzentren in größeren Städten einzurichten?

Pröll: Jetzt wird mit dem Koalitionspartner einmal die Standortsuche vorangetrieben. Wichtig ist dabei, den logistischen Ablauf im Auge zu behalten, dass man dort etwa Kontrollpunkte einrichten kann, damit die Asylverfahren beschleunigt werden. Denn: Erst wenn die Menschen in einem Asylverfahren sind, können sie nach den bestehenden Quoten auf die Bundesländer aufgeteilt werden - und dort ist ihnen dann auch volle Bewegungsfreiheit garantiert. Das ist doch ganz logisch und einleuchtend. Und noch etwas: Der Verbleib in den Erstaufnahmezentren bis zu dieser Klärung ist doch auch eine klare Ansage gegen das Abtauchen von Antragstellern in die Illegalität.

STANDARD: Die ÖVP suggeriert in Wahlkämpfen ja gerne, dass sich unter den Asylwerbern auch kriminelle Personen finden ...

Pröll: Bitte, wer suggeriert soetwas? Wo? Zeigen Sie mir eine einzige solche Aussage von mir aus einem Wahlkampf!

STANDARD: Vielleicht kam da noch nichts von Ihnen persönlich, aber von dem einen oder anderen ÖVP-Politiker sehr wohl.

Pröll: Also, ich werde diesen unguten Pott sicher nicht anrühren, was die Rechten jedoch dauernd tun: Nämlich Kriminalität, Asyl und Sicherheit ständig zu vermischen. Denn wir wissen, dass da zu trennen ist. Das eine hat mit dem anderen nichts zu tun. Aber wir brauchen klare umsetzbare Vorgaben - und das macht die Asyl- und Sicherheitspolitik der ÖVP aus.

STANDARD: Wann wird sich Ihre Partei dazu durchringen, Asylwerbern rasch eine Arbeits erlaubnis zu erteilen?

Pröll: Diese Vorschläge gab es zwar vereinzelt, aber derzeit haben wir in Österreich eine ganz schwierige Situation, was den Arbeitsmarkt betrifft und das wird sich 2010 noch verschärfen. Deshalb können wir hier nicht den Druck dahingehend auch noch erhöhen. Zumal Asylwerber zumindest punktuell in öffentlichen Bereichen bereits jetzt durchaus Arbeit finden können.

STANDARD: Spielen Sie mit dem Asylstreit in der Koalition nicht vor allem FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache in die Hände?

Pröll: Meinungsverschiedenheiten sind legitim, SPÖ und ÖVP_sind ja keine Einheitspartei. Deswegen suchen wir auch noch nach Lösungen. Aber was ich sicher nicht tue, ist, politische Verantwortung einfach abzuschieben.

STANDARD: Kanzler und SPÖ-Chef Werner Faymann wirbt mit einer Volksbefragung und meint, bei Einhaltung der Quoten brauche es eventuell gar kein drittes Asylzentrum.

Pröll: Da muss ich dem Bundeskanzler und allen anderen in der SPÖ einmal Folgendes sagen: Es ist nicht zu verdrängen, was drängt. In den Asylzentren muss geklärt werden, ob die Anträge für die Aufnahme eines Verfahrens berechtigt sind, oder ob jemand in Schubhaft genommen werden muss, weil etwa schon ein Missbrauch in der Vergangenheit vorliegt. Erst, wenn jemand antragsberechtigt ist, fällt er in die Quote. Deswegen braucht es Erstaufnahmezentren. Vor einem Jahr, bitteschön, hat der Koalitionspartner diese Notwendigkeit ganz klar gesehen. Daher haben wir das auch im Regierungsübereinkommen festgeschrieben - und das gilt für mich, auch wenn es unangenehm ist. Ich wundere mich, dass man nun quasi das Regierungsübereinkommen in Frage stellt.

STANDARD: Bleibt Ihre Integrationsbeauftragte Christine Marek in der Regierung? Oder wird sie sich für den Wahlkampf in der Bundeshauptstadt auf ihre Rolle als Wiener ÖVP-Chefin konzentrieren?

Pröll: Unsere Familienstaatssekretärin Christine Marek wird weiterhin ihr Amt in der Regierung ausüben - und im Wiener Wahlkampf entsprechend klar ihre Position einnehmen.

STANDARD: Trotz Uni-Misere nennen Sie seit zweieinhalb Monaten keinen Namen für den vakanten Posten des Wissenschaftsministers. Jetzt hätten Sie wieder einmal die Gelegenheit dazu.

Pröll: Zwar hätte ich jetzt die Chance, in einer sehr renommierten Zeitung den Namen des Wissenschaftsministers oder der -ministerin bekannt zu geben, tue es aber nicht. (Nina Weißensteiner/DER STANDARD-Printausgabe, 12.1.2010)