Sie ziehen nach Feierabend leere Pisten hinauf, kehren in die Berghütten ein und wedeln im Schein der Stirnlampe zurück ins Tal. Der starke Zulauf der Österreicher zu Skitouren reißt auch in Zeiten der Wirtschaftskrise nicht ab. Der traditionsreiche Wintersport wurde abseits des hochalpinen Bergsteigens längst zur massentauglichen Freizeitbeschäftigung. Almen dienen als Fitnesscenter, das Tourengewand gibt die Modetrends vor.

Der Boom verhilft Industrie und Handel zu sicheren Höhensprüngen im ansonsten kraftlosen Skigeschäft. Allein im Vorjahr sei der Markt dank der neuen Pistengeher um 30 Prozent gewachsen, erzählt Franz Siegesleuthner. Seine Familie hat schon in den 20er-Jahren Skier und Rodeln gebaut, er selbst hat sich auf Tourensortiment von Fellen über Schuhe bis zum Verschüttetensuchgerät spezialisiert.

Unter seiner Marke Hagan produziert er im Innviertel jedes Jahr gut 25.000 Paar Skier und zählt damit neben Fischer, Atomic, Dynastar und K2 zu den größten Anbietern weltweit. Seine 15 Mitarbeiter erzielen sieben Mio. Euro Umsatz, 60 Prozent davon im Export. Dass Osteuropa und Kanada auf den Trend aufspringen, sei nur eine Frage der Zeit, glaubt er. Die Skandinavier etwa entdeckten gerade ihre Fjorde als Skitourendestination.

Risiko wird unterschätzt

Der weltweite Jahresabsatz an Tourenskiern liegt bei 250.000 Paar. Mehr als die Hälfte davon wird in Österreich vertrieben. 700.000 aktive Tourengeher soll es mittlerweile geben, schätzt der Alpenverein, und jedes Jahr werden es um sechs Prozent mehr. Viele von ihnen ziehen ihre Spur früher oder später weg von der Piste in den hochalpinen Raum. Nicht wenige unterschätzen das Risiko: 15 Tourengeher und ebenso viele Variantenfahrer kommen im Schnitt pro Jahr durch Lawinen ums Leben.

Angebote für Kurse und geführte Touren gibt es genug. Allein in Tirol sind mehr als 30 Alpinschulen im Geschäft. Österreich zählt alles in allem an die 1500 staatlich geprüfte Bergführer. 30 schließen im Jahr die Ausbildung ab, Frauen bleiben dabei aber rar, gerade einmal an die 20 sollen es derzeit sein.

Michael Larcher von der Bergsteigerschule des Alpenvereins in Innsbruck hält Outdoorgeschäfte für krisenresistent. 1040 Österreicher hätten im vergangenen Winter Kurse und Touren gebucht, um ein Drittel mehr als in der Saison davor. Für heuer zeichne sich ein neuer Rekord ab. Die Leute suchten Erlebnisse, glaubt er. Mit Hektik, Industrialisierung und Kommerzialisierung wachse die Sehnsucht nach dem Gegenteil: Selbstverantwortung, Ruhe, ein Mix aus Einsamkeit und Geselligkeit.

Konflikte sind jedoch programmiert: Mit Liftbetreibern, die um ihr Geschäft bangen. Mit Jägern, denen Tourengeher ins Gehege kommen und Forstbesitzern, die ihren Wald bedroht sehen. In der Obersteiermark führte eine Debatte um Nutzungsrechte bis zum Obersten Gericht. Einem Grundbesitzer war ein jahrelang genutzter Skiweg ein Dorn im Auge, er forstete auf über 1800 Meter Seehöhe auf - und bekam Recht. Seither wird die Route stärker begangen denn je. (vk, DER STANDARD, Print-Ausgabe, 12.01.2009)