Andreas Klauser, erster Nichtamerikaner an der Spitze des Traktorbauers Case IH und Steyr, will die Auftragsflaute mit Kurzarbeit in St. Valentin durchtauchen. Die Fragen stellte Günther Strobl.
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STANDARD: Sie sind seit Anfang Dezember in der neuen Funktion, nun gibt es erstmals in der Geschichte des Werks St. Valentin in Niederösterreich Kurzarbeit. Zufall?
Klauser: Kein Zufall. Der Traktorenmarkt in Europa ist um fast 17 Prozent eingebrochen. St. Valentin hängt zu 95 Prozent vom Europageschäft ab. Mit minus 15 Prozent haben wir uns besser gehalten als der Gesamtmarkt.
STANDARD: Warum haben Sie weniger verloren als die Konkurrenz?
Klauser: Wir haben rascher auf die Krise reagiert, die Produktion frühzeitig zurückgefahren und dennoch Marktanteile gewonnen. Das flexible Arbeitszeitmodell, das wir mit dem Betriebsrat noch in Zeiten des Wirtschaftsbooms verhandelt haben, hat uns sehr geholfen. Jetzt sind die Überstunden aber komplett abgebaut. Deshalb haben wir uns entschlossen, Kurzarbeit anzumelden - auch auf Wunsch des Betriebsrats, der mehr Planungssicherheit für die Mitarbeiter eingefordert hat.
STANDARD: Wie lange?
Klauser: Vier bis sechs Monate. Ich glaube aber, dass wir die Kurzarbeit spätestens Ende März wieder aufheben können.
STANDARD: Bauchgefühl oder mehr?
Klauser: Es gibt Hinweise, dass sich die Auftragssituation bessert. Bei den großen Landmaschinenmessen im Herbst war ein interessantes Phänomen zu beobachten: die Investitionsbereitschaft war zwar da, aber viele Landwirte haben gezögert, wohl in der Hoffnung, dass die Preise weiter sinken. Ich rechne noch mit einem Schub an Aufträgen.
STANDARD: Wie viele Mitarbeiter sind von der Kurzarbeit betroffen?
Klauser: Alle in der Produktion, etwa 240 von insgesamt 740 Personen. Die Mitarbeiter wollen die Zeit für Ausbildungen nutzen, die vom Arbeitsmarktservice unterstützt werden.
STANDARD: Der Traktormarkt gilt als träge: kaum Ausreißer nach oben, wenn die Konjunktur boomt, aber auch nicht nach unten, wenn die Zeiten schlecht sind. Was ist diesmal anders?
Klauser: Der Punkt ist, dass es in den letzten Jahren relativ gute Getreideernten gab und dass auch viel Milch produziert wurde. Beides ließ sich in Zeiten der Hochkonjunktur auch zu vergleichsweise guten Preisen absetzen. Jetzt ist eine große Verunsicherung da, das belastet. Bei den Stückzahlen sind wir auf dem Niveau von 1993, etwa 160.000 Traktoren. 2008 war der europäische Traktorenmarkt noch knapp 200.000 Stück schwer.
STANDARD: Und in St. Valentin?
Klauser: ... wurden rund 9300 Stück produziert - nach 11.500 im Rekordjahr 2008.
STANDARD: Sie rechnen mit einer längeren Durststrecke?
Klauser: Das erste Quartal 2010 wird sicher noch schwer werden. Mitte des Jahres rechne ich mit einer spürbaren Erholung. Im Gesamtjahr 2010 sollten sich die europäischen Stückzahlen bei 155.000 bis 160.000 einpendeln.
STANDARD: Wird es mit Ihnen an der Spitze Neuausrichtung geben?
Klauser: Evolution statt Revolution, heißt das Credo. Ich möchte bestehende Teams noch stärker als bisher in Entscheidungen an der Spitze einbinden.
STANDARD: Der Autoindustrie ist mit Abwrackprämien geholfen worden. Hätte das auch für den Landmaschinensektor Sinn gemacht?
Klauser: Nein. Das einzig Sinnvolle wäre eine Förderung von Alternativkraftstoffen. Wir befinden uns in Gesprächen mit einigen Ländern. Ziel ist es, die Zusatzkosten für einen Traktor mit Biogasantrieb in Höhe von 22.000 bis 25.000 Euro zwischen Hersteller, Land und Käufer zu teilen und so die Investition für den Landwirt erschwinglicher zu machen. Außerdem könnte man an die Einführung einer Umweltsteuer denken mit dem Ziel, Traktoren, die gewisse Abgaswerte überschreiten, aus dem Markt zu drängen.
STANDARD: Wie lang ist ein Traktor durchschnittlich im Einsatz?
Klauser: Deutlich über 15 Jahre und damit wesentlich länger als andere Fahrzeuge.
STANDARD: Was bleibt 2009 in dem von Ihnen verantworteten Bereich unterm Strich übrig?
Klauser: Wir werden das Jahr deutlich positiv abschließen. (Günther Strobl, DER STANDARD; Print-Ausgabe, 12.1.2010)