Die Regierung zieht langsam die Lehren aus den Finanzskandalen der Republik. Höchste Zeit auch: Bawag, Anlegerskandale wie Immofinanz oder Meinl und zuletzt das Debakel der Hypo Alpe Adria haben nicht nur den Ruf des Finanzplatzes Österreich massiv beschädigt. Sie offenbarten auch die Schwachstellen der Aufsicht und der Justiz. Was noch schwerer wiegt: In der Bevölkerung macht sich das Gefühl der Ohnmacht breit, das von der schleppenden Aufarbeitung der Affären verursacht wird - Bawag ausgenommen.

Nach mehr als einem Jahr im Amt geht Finanzminister Josef Pröll nun zwei Bereiche an: Die Notenbank soll gänzlich verstaatlicht, die Staatsanwaltschaft aufgestockt werden. Richtige, wenn auch Trippelschritte, wenn Österreich nicht gänzlich zur Bananenrepublik verkommen will.

Zuerst zur Nationalbank: Dass Banken, Versicherungen und diverse Interessenvertretungen im Generalrat des Instituts sitzen, stellte seit jeher einen Konstruktionsfehler dar. Zwar existiert formal ein Riegel, der verhindert, dass der Generalrat bei Fragen der Bankenaufsicht mitredet, doch die Realverfassung sieht wie so oft in Österreich anders aus.

Nimmt Pröll schon die Notenbank zur Brust, könnte er das gleich mit vollem Schwung tun. Wenn Banken und Interessenvertretungen in der OeNB "nichts mehr verloren" haben, sollte das genauso für den traditionellen Proporz unter den einstigen Währungshütern gelten. Rot-Schwarz schnapsen sich seit Jahrzehnten nicht nur die Posten in Generalrat und Direktorium aus, die Farbenlehre bestimmt die Besetzungen bis in die untersten Führungsebenen. Kein Wunder, dass Minister und andere Würdenträger regelmäßig auf den Fundus des Otto-Wagner-Platzes zurückgreifen, wenn sich dort Kompetenz und das richtige Parteibuch paaren. Bei der Finanzmarktaufsicht sieht das Proporz-Bild nicht viel anders aus.

Auch mit der Aufstockung der Staatsanwaltschaft um 35 Personen erfüllt Pröll vorerst nur das Minimum. Die Einsparungen bei der Justiz - gegen die karrierebewusste Neo-Ministerin leicht durchzusetzen - erweisen sich zunehmend als Schuss ins Knie. Wenn man sich die Realität in den komplexen Wirtschaftsdelikten vor Augen führt, wirken die Arbeitsbedingungen schon fast wie ein Hohn. Während die Beschuldigten mit Gutachtern, Staranwälten und jeder Menge Verfahrenstricks auffahren, erdrücken meterhohe Aktenstapel die Anklagebehörde, die oft einen Staatsanwalt auf mehrere Fälle aufteilen muss.

Allerdings: Personalaufstockungen bringen noch keine Steigerung der Justizhygiene. Vergessene Akten und exkulpierte Landeshauptleute spiegeln nicht gerade ein Bild von Kompetenz und Unabhängigkeit wider. Und wenn in zentralen Causen erst nach zweijähriger Schrecksekunde Hausdurchsuchungen erfolgen, kann das nicht einfach nur mit Arbeitsüberlastung erklärt werden.

Freunderl- und Parteibuchwirtschaft sowie wechselseitige Abhängigkeiten zwischen Politik und Wirtschaft prägen das Land. Solange sich die Koalition weigert, Parteispenden - insbesondere aus Industrie und Finanz - offenzulegen und Postenschacher in Behörden und Justiz zu beenden, fehlt der Glaube an eine effizientere Überwachung und Verfolgung von Wirtschaftsdelikten.(DER STANDARD; Print-Ausgabe, 12.1.2010)