Teheran/Wien - Für die seit der Islamischen Revolution 1979 religiös unterdrückten, sozial benachteiligten und politisch unter Generalverdacht stehenden iranischen Bahai scheinen noch schwierigere Zeiten anzubrechen. Mindestens 48 Anhänger der vom Perser Bahaullah (1817-1892) gestifteten Religion sind derzeit im Iran in Haft; gegen sieben Führungsmitglieder (fünf Frauen und zwei Männer) sollte heute, Dienstag, in Teheran der Prozess beginnen.

Die Anklage lautet Spionage für Israel - ein sich wiederholender Vorwurf, wegen des Standorts des höchsten Bahai-Heiligtums in Haifa -, Entweihung von Heiligtümern und Propaganda gegen die Islamische Republik. Angesichts der jüngsten Entwicklungen dürfte die Sorge, dass Todesurteile ausgesprochen und auch vollstreckt werden könnten, berechtigt sein.

Denn die Bahai werden neuerdings vom Regime auch für die Unruhen am Ashura-Fest Anfang Jänner verantwortlich gemacht. 13 Bahai - darunter einige Verwandte der schon Inhaftierten - wurden am 3. Jänner verhaftet. Regierungsnahe Medien sprechen von einer "Verschwörung des Bahaismus, öffentlich die Heiligkeit des Ashura-Festes zu entweihen". Bahai hätten während der Demonstrationen Kopien des Koran zerrissen, vor den Augen frommer Ashura-Prozessionsteilnehmer.

Aber nicht nur die Bahai selbst sind gefährdet, die Tendenz geht dahin, den Oppositionspolitikern Mir-Hossein Mussavi und Mehdi Karrubi ein gemeinsames Komplott mit der verfolgten Religion nachzusagen. Von einer "strategischen Partnerschaft" ist etwa auf der Javan-Website die Rede.

Das Regime lässt bei seiner Bahai-Hetze die "Experten" zu Wort kommen. Die Nachrichtenagentur Fars zitiert Nematollah Bavand, einen Politologen, mit den Worten, dass es "keinen Zweifel gibt, dass der Bahaismus, angeführt vom Zionismus, hinter den jüngsten Unruhen steckt".

Und mit ihnen im Bunde sei Karrubi (auf dessen Auto vor wenigen Tagen ein Schussattentat verübt wurde): "Eine Beraterin eines der Präsidentschaftskandidaten, der einen Turban trägt" habe typischerweise den Bahaismus verteidigt. Und sie halte sich mit ihrem Ehemann soeben in Großbritannien auf, wo beide als Spione ausgebildet würden. Die Hintermänner - vor allem "derjenige, der sich als Mann des Talars ausgibt und Parlamentspräsident war", also Karrubi - müssten dringend vor Gericht gestellt und abgeurteilt werden.

Die Freundlichkeit, die den moderaten Geistlichen dem Bahaismus gegenüber nachgesagt wird, kommt unter anderem daher, dass der verstorbene Ayatollah Ali Montazeri - dessen siebenter Todestag die Ashura-Unruhen anheizte -, als er einmal nach den iranischen Bahais gefragt wurde, sinngemäß geantwortet hatte, dass ihnen als Bürger des Iran volle iranische Bürgerrechte zustünden.

Die Propagandisten schaffen noch eine andere abenteuerliche ideologische Kurve, die die wachsenden Spannungen mit Saudi-Arabien widerspiegelt: Mit dem Bahaismus werfen sie auch noch die saudi-arabische sunnitische Doktrin, den Wahhabismus (der seine Anfänge im 18. Jahrhundert hat), in den Ketzertopf. Vergangenen Herbst kündigte ein Vertreter der religiösen Führung an der Azad-Universität, Mohammed Mokhtarzadeh, ein Forschungsprojekt an, im Rahmen dessen die "Unterschiede zwischen Bahaismus und Wahhabismus" erkundet werden sollen: Gemeinsam ist ihnen demnach zumindest, dass sie beide Deviationen seien. Entsprechendes "Informationsmaterial" wurde im ganzen Land verteilt.

Die konservative Zeitschrift Kayhan macht darauf aufmerksam, dass Saudi-Arabien als einziges Land eine Uno-Resolution unterstützt habe, in der Iran wegen Menschenrechtsverletzungen verurteilt wurde. Das sei verständlich, wenn man bedenke, dass der "Wahhabismus wie der Bahaismus ein Produkt des britischen Kolonialismus sei". (Gudrun Harrer/DER STANDARD, Printausgabe, 12.1.2010)