Sarajewo/Belgrad - Wann immer das Büro des Hohen Repräsentanten in Bosnien (OHR) Druck auf ihn ausübte oder andeutete, etwas tun zu wollen, was ihm nicht passte, sprach Milorad Dodik das magische Wort aus: Referendum. Verwirklicht hat der Regierungschef der serbischen Entität "Republika Srpska" diese Drohung bisher nicht.
Andererseits war das von dem Österreicher Valentin Inzko geführte OHR, das selbst Funktionäre in Bosnien per Dekret ablösen kann, nicht bereit, sich auf das gefährliche Pokerspiel mit Dodik einzulassen und zu prüfen, ob der Serbe blufft oder es wirklich ernst meint.
Die Grenze in diesem Machtspiel, das bisher meist mit einem Patt endete, scheint Dodik allerdings am Wochenende mit einem Interview der Belgrader Tageszeitung Vecernje novosti überschritten zu haben. Er reagierte auf die Entscheidung Inzkos, das Mandat ausländischer Richter im obersten Gerichtshof Bosniens ungeachtet der heftigen Proteste der "Republika Srpska" (RS) um weitere drei Jahre zu verlängern. Dodik kündigte an, die RS würde noch in der ersten Jahreshälfte ein Volksbegehren darüber ausschreiben, ob die Bevölkerung das Friedensabkommen von Dayton von 1995 unterstützte und ob sie "gegen das Aufdrängen von Entscheidungen und Gesetzen des OHR ist".
Inzko warnt
Auf die Warnung Inzkos, das verhindern zu wollen, sagte Dodik: "Und was, wenn ich diese Entscheidung nicht akzeptiere? Was können die denn tun? Mich mit Panzern daran hindern, in das Regierungsgebäude zu kommen?" In diesem Fall würde er eben die Regierungssitzung in einem Privathaus abhalten. Ein Referendum darüber, ob das serbische Volk überhaupt in Bosnien leben wolle, würde gegebenenfalls folgen, sagte Dodik.
Während bosnische Serben auf ihrer durch das Abkommen von Dayton garantierten Eigenstaatlichkeit und strikter Trennung von der zweiten Entität, der bosniakisch-kroatischen Föderation, beharren, wollen die Bosniaken, unterstützt vom OHR, die Zentralregierung stärken und damit den Staat funktionsfähiger machen. Das Dayton-Abkommen beendete den dreieinhalbjährigen Krieg in Bosnien. (Andrej Ivanji/DER STANDARD, Printausgabe, 12.1.2010)