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Idylle auf der Werbebroschüre von Innenministerin Maria Fekter (ÖVP). Die Meinung der Eberauer über ein Erstaufnahmezentrum lässt sich dadurch aber nicht ändern.

Foto: APA/Pessenlehner

Eberau - Montagvormittag in der Weinidylle. Ein grauer Tag, der sich nicht ganz entscheiden kann, auf welche Seite des Gefrierpunkts er sich schlagen soll. Nebelreißen, novemberig ein wenig. Dass die Feiertage an diesem Tag endgültig vom Alltag abgelöst wurden, merkt man hier nicht an der Hektik, eher am Gegenteil. Wer in Großpetersdorf rechts abbiegt - Kleinzicken, Kotezicken, Kofidisch - klinkt sich auch vom Pendler- und Käuferverkehr von und nach Szombathely aus.

Zwischen Kohfidisch und Kirchfidisch geht es links in den Wald: St. Kathrein, Edlitz, Winten, Kulm. Diese Straße, die Bundesstraße mit der Nummer 56, führt weiter nach Moschendorf und Strem und Güssing. Und gleich hinter der Kulmer Ortsdurchfahrt, dort, wo der Erdödy'sche Meierhof vor sich hin verfällt, sollte jenes Asyl-Erstaufnahmezentrum errichtet werden, das über Weihnachten nicht nur das Burgenland in helle Aufregung versetzt hat.

"Das wird nichts mehr"

Der Rodlingbach trennt Kulm vom größeren Eberau. Von hier aus werden die Ortsteile Gaas, Kroatisch Ehresdorf, Winten und eben Kulm verwaltet. Und nach hierher konzentriert sich die republikweite Aufmerksamkeit so sehr, dass die Menschen, die hier leben, geradezu prototypisch reagieren: sie verschließen sich, wenn jemand von außen kommt und zum hundertsten Mal wissen will, wie so die Stimmung sei im Dorf.

Unter sich, klar, da gehen die Meinungen hin und her. Oder besser: sie gehen hin. Bürgermeister Walter Strobl hat schon resigniert. "Das wird nichts mehr", sagt er dem STANDARD. Dessen Begrüßungsfrage: Wie geht's?" beantwortet er so: "Den Umständen entsprechend schlecht." Wenn er tut, was ein Bürgermeister zu tun hat - unterwegs sein in der Gemeinde - gleicht das nun einem Spießrutenlauf. "Wenn ich das Telefon abhebe, wenn ich ins E-Mail schau ...", sagt er und überlässt das Ende des Satzes der Fantasie des Fragers.

Das Ende des Satzes hat viel mit Gerüchten zu tun, die durchs Land wabern und juristisch korrekt "Verleumdung" heißen oder "üble Nachrede". Dass ein Bruder ein Grundstücksverkäufer sei, dass er selber sich den Posten als Leiter des Zentrums zuschanzen hätte wollen, dass überhaupt dubiose Geldflüsse passiert seien. Das macht ihm sicht- und hörbar zu schaffen, dem Walter Strobl, der da im ersten Stock des Gemeindeamtes sitzt und versucht, seiner Arbeit als Bürgermeister nachzugehen.

Das Gemeindeamt steht am wunderschönen, breiten Anger, der wie eine Allee zum Erdödy-Schloss führt. Schräg vis à vis liegt das Gasthaus Buch, wo das Innenministerium eine "Informationsstelle" eingerichtet hat. Freilich hat die zuständige Beamtin strenge Amtsstunden einzuhalten. "Bis zwölf", sagt die Wirtin. Wie der Andrang zur ministeriellen Information üblicherweise sei, mag sie nicht einschätzen, "wir führen ja keine Stricherlliste". Nach der Einschätzung des Bürgermeisters sitzt die Dame verwaist im Gasthaus Buch. "Ich habe den Eindruck, die Leute wollen gar keine sachliche Information." Und das, obwohl die meisten die Angelegenheit ständig mit etwas anderes verwechseln würden: Zuwanderer mit Asylwerber, Asylwerber mit Kriminellen.

Entweder-Oder

Diesen Eindruck hat die Wirtin wohl auch. Jedenfalls meint sie, dass es zur Zeit nur ein Entweder-Oder gebe. "Nichts dazwischen." Wenn jemand sich nicht klar deklariere, werde er deklariert. "Deshalb wollen die Leute ja nicht mit den Reportern reden." Es könnte sonst unter Umständen ja heißen, da sei einer dafür, obwohl er das vielleicht gar nicht wäre.

Beziehungsweise wahrscheinlich oder eigentlich ziemlich sicher. "90 Prozent der Eberauer", schätzt der Bürgermeister, "sind gegen das Zentrum". Und die "hohe Politik" sorge dafür, dass sich an diesem Prozentsatz nichts ändere in absehbarer Zeit. Die gemeindeinterne Volksbefragung im Februar werde eindeutig ausfallen. Er selbst sei nun ja auch dagegen, denn: "Wenn die Leute das nicht wollen, geht es eben nicht."

Das aber nahm der Dorf-Debatte nicht die Schärfe. Wenn zwei, drei beisammen sitzen, gehe es immer nur um das eine. Jedenfalls dann, wenn kein Reporter zuhört, der dann alles aus dem Zusammenhang reißen könnte. Nicht nur im Gasthaus Buch wird diskutiert. Auch in der Schule, deren Weiterbestand zu einem guten Teil dem nun so zerzausten Bürgermeister zu verdanken ist, nachdem die öffentliche Hauptschule geschlossen wurde und nur nach Intervention im Ministerium die Gründung einer katholischen Privatschule möglich war. Denn das Land Burgenland habe einen diesbezüglichen Antrag nicht nur abgelehnt, sondern verschleppt, sodass die Schule für ein Jahr schließen musste.

Schulmäßig

"In der Schule wird auch nur darüber geredet", erzählt der Wirtssohn. Untereinander hätte man darüber geredet, wer dafür und wer dagegen sei, nicht zuletzt deshalb, weil unlängst auch Landeshauptmann Hans Niessl den Turnsaal der für seine Informationsveranstaltung genützt hat. Auch unter den Schülern sei es heiß hergegangen. Aber letztlich hat da die Sachlichkeit, um nicht zu sagen die Vernunft, gesiegt. "Ich hab dann gemeint: Ich bin in der Mitte. Und ein paar andere auch, auch der Michi." (Wolfgang Weisgram/DER STANDARD-Printausgabe, 12.1.2010)