Die 60,29 Prozent der Kroaten, die am Sonntag Ivo Josipovic zum neuen Präsidenten wählten, haben auch dem rückwärtsgewandten Machismo des Zagreber Bürgermeisters Milan Bandic eine Absage erteilt, der etwa der Meinung ist, Frauen müsse man schon mal "rannehmen". Weiters haben die Kroaten eine faire Nachbarschaftspolitik gewählt. Josipovic hat zugesagt, den zermürbenden Grenzstreit mit Slowenien nicht fortzuführen, sondern das Urteil des Schiedsgerichts zu akzeptieren - anders als Bandic, der ein Referendum in den Raum stellte.

Auch bei den Bosniern wird Josipovic - wie vor ihm bereits Präsident Stipe Mesic - nicht die nationale Karte ziehen. Der Herzegowiner Bandic hätte wahrscheinlich - ähnlich wie der serbische Präsident Boris Tadic, der sich zur Überraschung vieler in der bosnischen Teilrepublik Srpska einmischt - bei den Kroaten in der Herzegowina starke Sprüche geführt und damit Bosnien weiter unterminiert.

Drittens haben sich die Kroaten für eine Art Kohabitation entschieden, also dafür, dass es neben einer konservativen Regierung einen sozialdemokratischen Präsidenten gibt, der für Ausgleich sorgt. Mit Josipoviæ und Premierministerin Jadranka Kosor, die kürzlich den korruptionsverdächtigen Ivo Sanader mutig aus der Partei ausschloss, an der Spitze, kann eine neue Ära beginnen, die nicht mehr von zwielichtigen Geschäften und selbstherrlichen Patriarchen überschattet ist. Die Kroaten haben am Sonntag sehr eindrucksvoll bewiesen, dass sie reif für die EU sind.  ( Adelheid Wölfl /DER STANDARD, Printausgabe, 12.1.2010)