Hinter dem fast unbezwingbaren Wall von Ceuta liegt für Flüchtlinge aus Afrika die Hoffnung auf ein besseres Leben in Europa.

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Tiefe Narben vom Nato-Draht am Grenzwall der spanischen Exklaven in Ceuta und Melilla bleiben den Flüchtlingen, die versuchen, den wortwörtlichen Sprung nach Europa und damit in das erhoffte bessere Leben zu schaffen. Die beiden spanischen Maghreb-Städte haben sich in den vergangenen Jahren zu Brennpunkten der Migration entwickelt. Beide sind durch einen fast unbezwingbaren auf sieben Meter aufgestockten dreifachen Wall abgeschirmt.

Zwölf Kilometer um Melilla, nahe der seit 1992 gesperrten marokkanisch-algerischen Grenze, acht Kilometer um das vis-à-vis von Gibraltar gelegene Ceuta verlaufen die Hightech-"Eisenschlangen", an und in denen wiederholt Flüchtlinge den Tod fanden - und finden. Viele andere ertrinken beim Versuch, diese schwimmend zu umgehen.

Virtuelle Flüchtlinge

Der Wall von Ceuta ist einer der Schauplätze, an denen das Salzburger Künstlerkollektiv Gold Extra das Computerspiel "Frontiers - You've reached the Fortress Europe" angesiedelt hat. Als virtueller Flüchtling muss der Nutzer versuchen, sich von Afrika oder der Ukraine aus, ins gelobte Europa durchzuschlagen.

2008 hat das Team mit der Entwicklung begonnen, nach und nach wird das Spiel um weitere Stationen erweitert. Mit 6000 Downloads bisher ist es zwar weit davon entfernt, ein "Renner" zu sein, dafür hat es Frontiers in die Welt der Kultur geschafft.

Seit Jahresbeginn gehört es zur ständigen Ausstellung des Karlsruher Zentrums für Kunst und Medientechnologie ZKM. Das ZKM begleitet und dokumentiert das "work in progress" der Salzburger Künstler.

Recherchen vor Ort

Was ein Computerspiel mit Kunst zu tun hat? "Der Spiele-Trend setzt sich nicht nur im Kommerziellen, sondern auch in der Kunst vermehrt durch. Es ist zudem eine ganz niederschwellige Art der politischen Bildung", sagt Sonja Prliæ, Projektkoordinatorin von Gold Extra im Standard- Gespräch. Die Möglichkeit der Partizipation, das Eintauchen in eine virtuelle Realität sei ein großer Vorteil gegenüber anderen Medien.

Die Salzburger Künstler besuchten für Recherchen zum Spiel Ceuta, Andalusien und die Grenze der Slowakei zur Ukraine. Im Centro de Estancia Temporal (Ceti), Ceutas Auffanglager, begegneten sie Flüchtlingen aus dem Sudan, "die Jahre unterwegs waren, Brüder auf dem Weg verloren hatten. Sie zeigten uns ihre Abschiebepapiere, die für sie gleichbedeutend mit dem Tod wären", schildert Prliæ einen der erschütternden Momente, die sie dort erlebten.

Orientiert an Half Life 2

Bei Frontiers handelt es sich um ein "Mod", wie in Gamerkreisen oft auch von Hobbyentwicklern umgesetzte Modifizierungen an Spielen genannt werden. Gold extra orientierte sich dabei an Half Life 2, einem beliebten Ego-Shooter. Die Gewalt, der die Flüchtlinge ausgesetzt sind, wird sehr realistisch dargestellt. Allerdings gibt es einen "Human-Rights-Index", sagt Prliæ. Spieler, die in der Rolle eines Grenzpolizisten unbewaffnete Flüchtlinge verletzen, werden mit Punkteabzug gestraft.

Wer am Wall von Ceuta scheitert, findet sich am Anfang der Wüste wieder - nicht nur als Spieler. "Wer es bis hierher geschafft hat, der sitzt fest. Es gibt für die Migranten über Jahre kein Weiterkommen, aber auch kein Zurück", schildert Isabel Torrente, Leiterin der Hilfsorganisation Melilla Acoge die Notlage der Flüchtlinge. Ihre Chance auf einen legalen Status wäre mehr als gering. Die meisten würden abgeschoben. (Jan Marot aus Melilla/DER STANDARD Printausgabe, 12. Jänner 2009)