Amsterdam - Für die im Alter von 100 Jahren gestorbene Retterin des weltberühmten Tagebuchs der Anne Frank ist am Dienstag in Amsterdam ein Kondolenzbuch ausgelegt worden. Tausende BesucherInnen des Anne-Frank-Museums im Gebäude des einstigen Verstecks der jüdischen Familie Frank an der Prinsengracht erwiesen Miep Gies die letzte Ehre.

Sie starb Montagabend einen Monat vor ihrem 101. Geburtstag im Pflegeheim ihres Wohnortes Hoorn (Provinz Friesland). Gies erlag den Folgen von Verletzungen, die sie sich im Dezember bei einem Sturz in ihrem Haus zugezogen hatte. Sie war einst die wichtigste und später die letzte noch lebende von insgesamt fünf HelferInnen der Familie von Anne Frank - darunter Gies' Ehemann Jan.

"Mit ihr ist die letzte Zeugin der Geschehnisse in dem Hinterhaus-Versteck von uns gegangen", sagte die Leiterin des Anne-Frank-Museums, Teresien da Silva. Fast bis zuletzt habe sie noch jeden Tag Briefe aus aller Welt gelesen und Fragen über ihre Beziehung zu Anne Frank, deren Eltern und Freunde sowie ihre Rolle als Helferin beantwortet. Miep Gies hinterlässt einen Sohn, eine Schwiegertochter und drei Enkelkinder.

"Meine Zeit mit Anne Frank"

Der S. Fischer Verlag in Frankfurt äußerte seine Trauer "um diesen außergewöhnlichen Menschen". Miep Gies habe Leben bewahrt und ihr eigenes Leben riskiert - "und einen der wichtigsten Texte des Zwanzigsten Jahrhunderts für uns gerettet", hieß es in einer Stellungnahme. Im S. Fischer Verlag sind Anne Franks Tagebuch und Miep Gies' Erinnerungsband "Meine Zeit mit Anne Frank" erschienen. Es handle sich um "zwei Dokumente des gleichen Schreckens und der gemeinsamen Hoffnung", erklärte der Verlag.

Miep Gies wurde am 15. Februar 1909 in Wien als Hermine Santrouschitz geboren. Sie wuchs in armen Verhältnissen auf, weshalb sie im Rahmen eines Projektes zur Unterstützung unterernährter Kinder 1920 von ihren Eltern ins holländische Leiden geschickt und von ihrer dortigen Gastfamilie liebevoll aufgenommen wurde. Dort erhielt sie auch ihren Spitznamen "Miep".

Im Jahr 1922 zog sie mit ihrer Gastfamilie nach Amsterdam. 1933 wurde sie Sekretärin von Annes Vater, dem Geschäftsmann Otto Frank. Es entwickelte sich eine gute Freundschaft zu Otto Frank, seiner Frau Edith sowie den Töchtern Anne und Margot. (APA)