Malen für Terroristen: Im "Mohammed bin Nayef Zentrum für Beratung, Behandlung und Betreuung" in Riad will man radikale Jihadisten auf die sanfte Tour bekehren.

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Said Ali Al-Shihri ließ sich nicht therapieren.

Foto: AP Photo/SITE Intelligence Group

Häftling 372. Das war die Nummer für Said Ali Al-Shihri in Guantanamo. Er wurde 2001 an der Grenze zwischen Pakistan und Afghanistan gefangen genommen. Er war verwundet, in der Tasche hatte er 1.900 Dollar. Er behauptete, es sei eine Spende für das Rote Kreuz gewesen, die US-Geheimdienste waren der Überzeugung, dass er ein Geldbote der Terroristen war. Nach sechs Jahren Kuba wurde er nach Saudi-Arabien überstellt, wo er das "Mohammed bin Nayef Zentrum für Beratung, Behandlung und Betreuung", ein Rehabilitationszentrum für islamistische Extremisten, besuchte. Vergebens. Aus #372 wurde die Nummer 1 der Al Qaida im Jemen. Er soll für mehrere Anschläge verantwortlich sein, zuletzt für den vereitelten des "Unterhosenbombers" Umar Farouk Abdulmutallab.

Mitverantwortlich ist Al-Shihri auch für eine Debatte, ob man Terroristen rehabilitieren kann oder nicht. Im Zentrum der Diskussion steht sein Ex-Rehab-Verein in Riad. Zuletzt veröffentlichten im deutschsprachigen Raum die Süddeutsche Zeitung und der Tagesspiegel Korrespondenten-Berichte aus der Anlage im saudischen Königreich.

Luxus gegen den Terror

Einige Eckdaten: 30 Kilometer außerhalb der Hauptstadt Riad liegt das "Ressort". Das Gebäude ist zwar mit Stacheldraht umzäunt, im Inneren erinnert jedoch kaum etwas an ein Gefängnis. Für die Insassen gibt es Swimming-Pool, Sportplatz, Fernsehen und Moschee. Sanft sollen hier Terroristen zu Normalbürgern umerzogen werden, indem man mit einem Team von Psychologen, Islamgelehrten, Sicherheitsexperten und Sozialarbeitern auf die Faktoren Familie, religiöse Aufklärung und Berufshilfen setzt. "Im Zentrum der Al Qaida-Ideologie steht ein verzerrter Islam. Also unterrichten wir die Leute über den wahren Inhalt unserer Religion", so der Leiter des Zentrums, Scheich Ahmed Hamid Jelani, gegenüber der Süddeutschen.

Weiters sollen die Extremisten wieder in ihre Familien integriert werden. Das lässt sich der Staat Saudi-Arabien einiges kosten: Angehörige bekommen die Reisekosten für Besuche ersetzt, jeder Entlassene bekommt ein Startset mit Hemden, Hosen bis zu einer Armbanduhr. Ein Jahr lang wird die Miete inklusive Wohnungseinrichtung bezahlt, über 550 Euro Sozialhilfe und bis zu 7.000 Euro Mitgift gibt es im Fall einer Heirat.

Wirkt der sanfte Weg?

Geht es nach den Betreibern, so ist der nicht-militärische Weg, Extremisten zu bekehren, trotz mancher Rückschläge durchaus erfolgreich: Elf Insassen des Zentrums in Riad seien bisher wieder zu Al Qaida zurückgekehrt, fünf wurden wieder verhaftet und fünf seien untergetaucht. Das entspricht einer Erfolgsquote von immerhin 20 Prozent, was weit besser sei als in jeder US-Haftanstalt, sagt Abdulraham Hadlaq gegenüber dem Tagesspiegel. 

Christopher Boucek vom "Carnegie Endowment for International Peace" hat 2008 den Erfolg der sanften Methoden Saudi-Arabiens analysiert. In seinem Bericht spricht er von "viel versprechenden Resultaten": Rund 1.400 der 3.000, die an einer derartigen Therapie teilnahmen, änderten ihre Einstellung und konnten bereits wieder in die Gesellschaft integriert werden. Der Rest war entweder noch im Programm, wurde rückfällig oder verweigerte die Zusammenarbeit. Das pragmatische Fazit Bouceks: "Die Tatsache, dass die Mehrheit der Gefangenen, die das Programm abschließen, nicht mehr gemäß ihren früheren Überzeugungen handeln, kann als Erfolg gewertet werden. Egal, ob nun ihre Reue wirklich aufrichtig ist oder nicht."

Internationale Programme

Das Programm Saudi-Arabiens ist nicht nur das teuerste der Welt, sondern gilt auch als internationales Vorbild für nicht-militärische Maßnahmen gegen Terrorismus. Im Februar 2009 veranstaltete das "International Centre for Political Violence and Terrorism Research" in Singapur eine Konferenz zum Thema "Rehabilitation von Terroristen". Mit dabei: Internationale Vertreter aus Ägypten, Saudi Arabien, Jemen, Spanien, Großbritannien, Indonesien, Malaysia, USA bis Usbekistan. Ziel dieser Veranstaltung war es, aus den unterschiedlichen Erfahrungsberichten Richtlinien für die Therapie von Terroristen zu formulieren. Die Schlussfolgerungen: Auch wenn manche Projekte, wie zum Beispiel in Ägypten, nicht erfolgreich gewesen seien, müsse man die Bemühungen fortsetzen, um diese Programme zu verbessern und um den Terrorismus mittels globaler Zusammenarbeit friedlich zu bekämpfen. (rasch, derStandard.at, 20.1.2010)