Wien - Acht gelbe Plastiktafeln stehen in der Ganglbauergasse in Wien-Ottakring auf der Fahrbahn. Zwischen den Bändern, die die einspurige Einbahnstraße absperren, versuchen Polizisten herauszufinden, was sich Dienstagnachmittag gegen 13.40 Uhr hier zugetragen hat. Und wer einen ihrer Kollegen durch zwei Schüsse lebensgefährlich verletzt hat.
Ein silberfarbener BMW war einer Streifenwagenbesatzung aufgefallen, da er auf dem mehrere Häuserblocks entfernten Gürtel eine gelbe Ampel überfahren hatte. Sie versuchten ihn anzuhalten, der Fahrer gab Gas und flüchtete. Das Beamtenduo verfolgte den Verdächtigen, der schließlich sein Auto stehenließ und weglief.
Was dann passierte, ist noch unklar. "Der Kollege sprang aus dem Streifenwagen und lief dem Flüchtenden nach" , erklärt Polizeisprecher Mario Hejl. Der Verdächtige feuerte drei Schüsse aus einer Waffe vom Kaliber 32 auf den Polizisten ab. Dieser brach lebensgefährlich verletzt zusammen;er wurde am Abend notoperiert und in künstlichen Tiefschlaf versetzt, er ist mittlerweile außer Lebensgefahr. Der Täter flüchtete die Gasse weiter bergab und verschwand. Die Fahrerin des Funkwagens konnte nicht eingreifen, sie hatte zunächst das Fahrzeug abgestellt und erst dann die Verfolgung aufgenommen.
Warum der BMW-Fahrer überhaupt geflüchtet ist, wird noch ermittelt. Gerüchte, wonach das Fahrzeug aktuell zur Fahndung ausgeschrieben war, wollte die Polizei zunächst nicht bestätigen. Möglicherweise sei das Kennzeichen in der Vergangenheit einmal im Zusammenhang mit einem Delikt registriert worden, hieß es.
Es sei natürlich gefährlich, wenn ein Täter bei einer Routinekontrolle aufgehalten wird, erklärt Martin Hollunder-Hollunder, Bundeseinsatztrainer der Polizei, im Standard-Gespräch. "Der Verdächtige geht ja davon aus, dass er von der Polizei angehalten wird, da die von seiner Tat wissen. Die Beamten gehen aber dagegen von einer normalen, alltäglichen, Kontrolle aus. Der Täter ist also immer einen Schritt voraus." Selbst bei einer Flucht gehen Beamte unter normalen Umständen nicht von einem Gewalttäter aus.
Dass Polizisten mit mörderischer Gewalt attackiert werden, ist nicht so selten. Im vergangenen April bezahlte ein Beamter seinen Einsatz fast mit dem Leben, als ihm ein Täter ein Messer in den Leib rammte. Der Beamte hatte den Verdächtigen zu Fuß verfolgt, als dieser zustach. Der Polizist lag drei Wochen im Spital.
Durch die Tür gefeuert
Im Juni wollten Cobra-Beamte im Zusammenhang mit der tödlichen Schießerei in einem Sikh-Tempel einen Verdächtigen befragen. Als sie vor seiner Wohnung auftauchten, schoss der allerdings sofort durch die Tür. Verletzt wurde bei diesem Vorfall niemand.
Zwischen den Jahren 2000 und 2008 schwankten die Zahlen der im Dienst von Angreifern schwer verletzten Exekutivbeamten zwischen 46 und 77 Opfern, rechnet Rudolf Gollia, Sprecher des Innenministeriums, vor. Die überwiegende Mehrheit der Beamten muss aber ins Spital oder zum Arzt, weil sie sich im Dienst verletzten - sei es bei Übungen oder im Einsatz. Zum Vergleich: im Jahr 2008 standen 54 "durch fremde Gewalt" verletzten Polizisten 209 gegenüber, die ohne Fremdeinwirkung Schaden erlitten. Die letzten drei Todesopfer wurden im Jahr 2006 registriert. In den Jahren davor lag der Schnitt bei zwei Getöteten, was im Vergleich zum rund zehnmal so großen Deutschland ein recht hoher Wert ist. Dort wurden in den 90er-Jahren zwischen null und maximal acht Polizisten von Angreifern getötet. (Michael Möseneder, red, DER STANDARD Printausgabe, 13.01.2010)