Wien - Die Philosophin Herlinde Pauer-Studer von der Universität Wien erhält als erste Geisteswissenschafterin in Österreich einen hoch dotierten "Advanced Grant" des European Research Council (Europäischer Forschungsrat, ERC). Mit ihrem Projekt "Transformationen von normativen Ordnungen" will sich Pauer-Studer am Beispiel des NS-Regimes aus ethischer und moralphilosophischer Sicht mit politischen normativen Ordnungen beschäftigen, die in autoritäre und totalitäre Verhältnisse abgleiten, wie sie erklärte.

Pauer-Studer (geb. 1953 in Bludenz, Vorarlberg) ist seit 1997 Außerordentliche Universitätsprofessorin am Institut für Philosophie der Uni Wien. Sie studierte Philosophie an den Universitäten Salzburg und Toronto, promoviert wurde sie 1983 in Salzburg. Von 1981 bis 1985 war Pauer-Studer Assistentin am Institut für Rechtsphilosophie der Uni Graz, es folgten Gastaufenthalte und Stipendien an der University of California in Irvine, der Harvard University und der New York University. 1993 erhielt Pauer-Studer ein Charlotte-Bühler-Stipendium des Wissenschaftsfonds FWF, daran anschließend 1995 ein APART-Stipendium der Akademie der Wissenschaften. 1996 habilitierte sie sich in Philosophie an der Universität Wien.

Analytische Philosophie und Ethikfragen

Herlinde Pauer-Studer beschäftigt sich vorwiegend mit analytischer Philosophie sowie Ethikfragen. Ein weiterer Forschungsschwerpunkt liegt auf Sozialphilosophie und Politischer Philosophie. Ihre wichtigsten Publikationen sind "Das Andere der Gerechtigkeit" (1996), "Autonom Leben. Reflexionen über Freiheit und Gleichheit" (2000), "Einführung in die Ethik" (2003) und "Kommentar zu David Hume 'Über Moral'" (2007).

Mit ihrem "Advanced Grant" will Pauer-Studer ein internationales Team aus Post-Docs aufbauen und thematisch eine Forschungslücke schließen: "Nach Hannah Arendt hat sich die Philosophie so gut wie nicht systematisch mit politischen normativen Ordnungen, die außer Kontrolle geraten und normativ entgrenzt werden, beschäftigt", so Pauer-Studer. Dies sei auch im globalen Kontext interessant, wo man mit Staaten zusammenarbeiten müsse, die keine demokratischen, rechtsstaatlichen Strukturen haben.

Die "Advanced Grants" stellen das "Flaggschiff-Programm" des ERC dar, mit dem die EU Grundlagenforschung fördert. Damit sollen anspruchsvolle und risikoreiche fünfjährige Forschungsprojekte gefördert und die Wissenschafter ermutigt werden, die bestehenden Grenzen des Wissens und der Disziplinen zu überschreiten. Für die Uni Wien bedeutet die Auswahl Pauer-Studers den vierten "Advanced Grant" nach dem Physiker Anton Zeilinger und den Mathematikern Ludmil Katzarkov und Walter Schachermayer.

Bei der aktuellen zweiten Runde der "Advanced Grants" hatten knapp 1.600 Forscher Anträge gestellt, darunter rund 40 aus Österreich. Inklusive Pauer-Studer waren bisher sechs österreichische Wissenschafter erfolgreich, es sind allerdings noch nicht alle Fördernehmer bekannt. Bei der ersten Antragsrunde erhielten acht Forscher aus Österreich einen "Advanced Grant". (red/APA)