Auch wenn bei der Automobilmesse in Detroit Aufbruchsignale ausgesandt werden, erwartet die Branche ein weiteres Tal der Tränen. Vor allem am europäischen Markt werden massive Einbrüche erwartet, nachdem die Verkäufe im Vorjahr mit üppigen Prämien künstlich hochgehalten wurden. Das bescherte Westeuropa 2009 ein kleines Plus, während der Weltmarkt um 5,4 Prozent schrumpfte. Doch heuer rechnen Experten - etwa das CAR-Institut an der Universität Duisburg-Essen - mit einem Einbruch von sieben Prozent am alten Kontinent. Boston Consulting rechnet nach Angaben von Partnerin Antonella Mei-Pochtler sogar mit einem Minus von 15 bis 20 Prozent.
Es gebe keinen Grund zur Euphorie, erklärte denn auch der Präsident des deutschen Verbands der Automobilindustrie, Matthias Wissmann. Und der Chef von Chrysler und Fiat, Sergio Marchionne, meinte: "Das Einzige, was mich beruhigt, ist, dass wir 2009 den Boden erreicht haben." Immerhin darf die Branche auf einen zarten Aufschwung in Nordamerika - dieser Markt stürzte im Vorjahr um mehr als ein Fünftel ab - und einen anhaltenden Boom in China hoffen. Doch eine Kehrseite des Booms in den Schwellenländern (in China wurden 2009 um 44 Prozent mehr Autos verkauft) ist der zunehmende Druck durch die aufstrebenden Konkurrenten, die die Schwäche der Traditionsfirmen ausnutzen und ihnen kräftig Technologie, Marken und Standorte abluchsen. Chinas Geely schnappt sich gerade Volvo von Ford, Technikbereiche von Saab sollen an BAICwandern. Am Rande der Messe will der indische Aufsteiger Tata (der bereits Jaguar und Land Rover erwarb) erstmals sein Mini-Fahrzeug Nano in Amerika zeigen, das als "billigstes Auto der Welt" Schlagzeilen machte.
Die Hoffnung ruht somit - wieder einmal - eher auf verbrauchsarmen Technologien. Elektroautos gehören zu den großen Zukunftsthemen der Branche und sind auch ein Schwerpunkt in Detroit. Doch VW-Entwicklungsvorstand Ulrich Hackenberg dämpft gegenüber der Deutschen Presseagentur auch hier die Erwartungen: Er rechnet (wie viele seiner Kollegen) mit einem langen Weg bis zum Durchbruch der E-Autos.
Hintennach
Kritiker werfen der deutschen Autoindustrie vor, bei alternativen Antrieben hinterherzuhinken. Der US-Autobauer General Motors will schon Ende dieses Jahres sein Elektromodell Chevrolet Volt in Kalifornien auf den Markt bringen. Das europäische Pendant, der Opel Ampera, soll von 2011 an verkauft werden.
Volkswagen will sein erstes Elektrofahrzeug 2013 als Teil der neuen Kleinwagenfamilie Up auf den Markt bringen. Inzwischen erprobt der Autobauer einen Elektro-Golf in einer Testflotte. Hackenberg rechnet im Jahr 2020 lediglich mit einem weltweiten Marktanteil von Elektroautos zwischen 1,5 und zwei Prozent.
Die geplagten drei großen US-Hersteller stellen in Detroit die noch vor Jahren von den Amerikanern belächelten Kompakt- und Kleinwagen in den Vordergrund. Am stärksten ist dies bei Ford sichtbar. Konzernchef Alan Mulally präsentierte die neue Generation des (in Deutschland entwickelten) Kompaktwagens Focus. Mulally will den US-Autofahrern zudem den Kleinwagen Fiesta schmackhaft machen. Vakuum herrscht indes bei Chrysler. Wegen der Zusammenlegung der Plattformen mit Fiat sind derzeit keine neuen Modelle in Sicht. (as, DER STANDARD, Printausgabe, 13.1.2010)