Brüssel - Harte Kritik musste sich der designierte EU-Kommissar für Steuern, Zölle, Kontrolle und Betrugsbekämpfung, Algirdas Šemeta, bei der Anhörung vor dem EU-Parlament gefallen lassen. Der Litauer hatte keine klare Antwort darauf gefunden, ob er für oder gegen die Ausgliederung der Betrugsbekämpfungsbehörde Olaf aus der EU-Kommission sei.
Die Bulgarin Rumiana Jeleva, Kandidatin für humanitäre Hilfe, wies Vorwürfe strikt zurück, wonach sie eine Firmenbeteiligung nicht offengelegt habe. Souverän meisterten die Kommissare Joaquín Almunia (nun Wettbewerb) und Viviane Reding (Justiz) ihre Anhörung, so wie auch Štefan Füle (Erweiterung).
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Zahlen, Daten, Fakten spielten im Leben von Algirdas Šemeta stets eine wichtige Rolle. Fast acht Jahre lang hat der Litauer das Statistische Amt seines Landes geleitet. Das mag ein Grund gewesen sein, warum die Anhörung des designierten EU-Kommissars für Steuern, Zoll, Kontrolle und Betrugsbekämpfung vor dem Haushaltsausschuss des EU-Parlaments in Brüssel zur bisher trockensten Vorstellung im Bestätigungsverfahren wurde. Aber inhaltlich zur umstrittensten.
Mit Šemeta kam Dienstag Früh der erste Kandidat aus dem Team von Kommissionspräsident José Manuel Barroso ins Schleudern. Noch heftiger wurde es am Abend bei der Kandidatin für humanitäre Hilfe, Rumiana Jeleva, Außenministerin von Bulgarien.
"Der Kandidat kann nicht überzeugen" , schimpfte der SP-Abgeordnete Jens Geier über Šemeta. "Wir haben ein Problem mit der Ausgliederung der Betrugsbekämpfungsbehörde Olaf aus der EU-Kommission" , hielt der Liberale Jorgo Chatzimarkakis ihm vor, "aber sie haben darauf keine klare Antwort" .
Anlass für den Streit sind die Pläne des Präsidenten, die Olaf-Behörde dem direkten Zugriff der EU-Parlamentarier zu entziehen, vorgeblich, um sie unabhängig zu machen. Auch der Chefposten ist vakant. Die Abgeordneten erklären den Kampf gegen Missbrauch für das Wichtigste. Šemeta gelobte jede Kooperation, versprach, alles zu tun, damit EU-Mittel ordentlich verwendet werden. Aber der entscheidende Satz fiel nicht: dass er Olaf anders betrachte als Barroso. "Es gibt da ein Problem" , so die Grüne Ulrike Lunacek.
Dubiose Firmenbeteiligung
Bedrohlich ist die Lage für Jelewa, die wegen ungeklärter geschäftlicher Verhältnisse und Beteiligungen unter Druck kam. "Derzeit sagt die Fraktion zu ihr Nein" , erklärte SP-Abgeordneter Hannes Swoboda am Abend dem Standard. Entweder kläre sie die Vorwürfe auf, "oder Barroso muss sie zurückziehen" .
Jeleva könnte an den strengen Transparenzregeln in der EU scheitern. Seit Tagen kursierten Gerüchte und Dokumente, dass die Konservative in ihrer Vermögernserklärung an das Parlament eine Firmenbeteiligung verschwiegen habe. Von mehreren Abgeordneten danach gefragt, wies Jeleva alle Vorwürfe zurück: "Diese Gerüchte und Anschuldigungen gegen mich und meinen Mann entbehren jeder Grundlage." Nach bulgarischem Recht habe sie alles offengelegt. Sie bestritt, sich im Frühjahr 2009 an einer Firma beteiligt zu haben, die sie vorher verkauft haben soll.
Das behaupten ihre Kritiker von Grünen und Liberalen. Jeleva war von 2007 bis 2009 EU-Abgeordnete - und dürfte ihr Vermögen nicht umfassend deklariert haben. Nun soll der juristische Dienst des Parlaments alles prüfen.
Problemlos verliefen die Anhörungen von Viviane Reding (Justiz, Grundrechte) und dem souveränen Joaquín Almunia (Wettbewerb), von Außenhandelskommissar Karel de Gucht aus Belgien und dem Tschechen Stefan Füle (Erweiterung).(Thomas Mayer aus Brüssel/DER STANDARD, Printausgabe, 13.1.2010)