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Beim Schweigemarsch nahmen Montagabend rund 2000 Bewohner von Rosarno teil. Sie fühlen sich "vom Staat verlassen und von den Medien kriminalisiert".

Foto: APA/EPA/Cufari

Vorige Woche hatten Schüsse auf afrikanische Immigranten in Süditalien eine Revolte der illegal Beschäftigten ausgelöst.

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Rom/Rosarno - Die ausländerfeindlichen Übergriffe im süditalienischen Rosarno haben diplomatische Proteste ausgelöst. Ägyptens Außenminister Ahmed Abul Gheit hat am Dienstag die "Aggressionen und Gewaltakte gegen arabische und islamische Minderheiten" angeprangert und die italienische Regierung aufgefordert, "den Schutz von Immigranten zu gewährleisten" . Geith will die "zunehmenden rassistischen Übergriffe" am Freitag bei einem Treffen mit seinem italienischen Kollegen Franco Frattini zur Sprache bringen. Dieser wies über das italienische Fernsehen sogleich Geiths Vorwurf des Rassismus in Italien zurück.

Der Vatikan beklagte mit ungewöhnlicher Schärfe "den Rassismus der Italiener, der sich im Hass gegen Menschen anderer Hautfarbe" und "einer wachsenden Zahl ausländerfeindlicher Übergriffe" äußere. Die Bischofskonferenz sprach von einem "Krieg auf dem Rücken der Ärmsten" . Staatspräsident Giorgio Napolitano reist diese Woche nach Kalabrien, wo "Werte wie Solidarität und Legalität verletzt" worden seien.

Nach der Evakuierung von fast 2000 Immigranten wurde am Dienstag der Abriss verlassener Gehöfte und Werkhallen fortgesetzt, die den vorwiegend afrikanischen Einwanderern als Notunterkünfte gedient haben. Fast alle lebten unter menschenunwürdigen Bedingungen und arbeiteten für einen Tageslohn von 20 Euro als Erntehelfer in den Orangenplantagen um Rosarno.

Schüsse lösten Revolte aus

Vergangenen Donnerstag war es zu einem Aufstand der Einwanderer gekommen, bei dem Autos in Brand gesetzt und Schaufenster eingeschlagen wurden. Auf Afrikaner abgefeuerte Schüsse hatten die Unruhen ausgelöst. Medien berichteten von einer darauffolgenden regelrechten Jagd der Bewohner auf die Afrikaner. Ein Großaufgebot der Polizei brachte die Einwanderer in Bussen in mehrere Auffanglager in Süd- und Mittelitalien.

Montagabend protestierten rund 2000 Bewohner Rosarnos mit einem Schweigemarsch gegen die "einseitige Darstellung" der Vorfälle durch die Medien.

Die Staatsanwaltschaft vermutet, dass die Übergriffe von der 'Ndrangheta angezettelt wurden, um sich als Schutzmacht zu profilieren. Die am Dienstag erfolgte Verhaftung von 17 Mitgliedern des kalabresischen Arms der Mafia hat laut Polizei aber keinen Bezug zu den Ausschreitungen. Ihnen werden illegale Immobiliengeschäfte und Betrug zur Last gelegt. Rosarno gilt als Hochburg der 'Ndrangheta. Der Bürgermeister befindet sich in Haft, der Gemeinderat wurde wegen Zusammenarbeit mit der Mafia aufgelöst. (Gerhard Mumelter/DER STANDARD, Printausgabe, 13.1.2010)