Bild nicht mehr verfügbar.

Eprouvetten in Rot-Weiß-Rot: 2009 konnten an heimischen Forschungsinstituten zahlreiche Papers veröffentlicht werden.

Foto: Archiv
  • Physik - Von der Mini-Erde zum atomaren Uhrpendel: Mit mehreren Durchbrüchen konnte die Universität Innsbruck 2009 aufwarten. Die Entdeckung hochenergetischer Gammastrahlen eines Sonnensystems schaffte es sogar in die Liste der Top 10 von Science. Paul Scheier schuf in einer weltraumähnlichen Umgebung große Kohlenstoffmoleküle und folgerte, dass auf solchen Mini-Erden die ersten Bausteine des Lebens entstanden. Für Aufmerksamkeit sorgte auch das Bose-Einstein-Kondensat mit Strontiumatomen, das Florian Schreck und Rudolf Grimm erstmalig erzeugten. Dabei handelt es sich um einen Phasenzustand bei sehr tiefen Temperaturen, in denen sich Atome so langsam bewegen, dass sie sowohl Wellen als auch Teilcheneigenschaften aufweisen. Mithilfe solcher sich langsam bewegender Atome lassen sich äußerst präzise Messwerkzeuge wie Atomuhren herstellen. Der Clou der Innsbrucker: Sie konnten ihr Kondensat in großen Mengen und zügig herstellen.
  • Klimaforschung - Und den Klimawandel gibt es doch: Tatsächlich gibt es sie noch, jene Gruppe von "Experten", die natürliche Ursachen und Klimaschwankungen für die Erderwärmung verantwortlich machen. Als Argument führen sie Beobachtungen an, die eine zu schwache Erwärmung oder sogar Abkühlung der Atmosphäre zeigen. Diese Behauptung konnte Leopold Haimberger vom Institut für Meteorologie und Geophysik an der Universität Wien widerlegen. Er wies nach, dass die vermeintliche Abkühlung auf Messfehler zurückgeht. Die ersten eingesetzten Radiosonden lieferten falsche Messwerte, weil sie sich in der Sonne erhitzt hatten und daher zu hohe Temperaturen anzeigten. Dafür hat der Meteorologe ein Korrekturprogramm entwickelt.
  • Genetik - Schweigsame Gene: Kleine Erbgutschnipsel können ganze Gene stilllegen. Gewöhnlich dienen RNA-Moleküle als Übersetzer der genetischen Information. Doch winzige Abschnitte können entweder direkt im Zellkern das Gen ausschalten oder in der Zelle seine Übersetzung in ein Eiweiß verhindern. RNA-Interferenz heißt dieser natürliche Regulationsmechanismus. Wissenschafter nutzen ihn längst, um Gene gezielt auszuschalten und ihre Wirkung zu untersuchen. Am Vienna Drosophila RNAi Center (VDRC) ist es mithilfe von mehr als 20.000 Drosophila-Fliegen-Stämmen möglich, jedes Gen der Fliege auszuschalten. Der Arbeitsgruppe um Jürgen Knoblich vom Institut für Molekulare Biotechnologie (Imba) gelang es so, das genetische Netzwerk eines der wichtigsten Signalübertragungswege, des Notch-Pathway, bei der Entwicklung und Entstehung verschiedener Krankheiten zu entschlüsseln.
  • Molekularbiologie - Der Weg zum richtigen Partner: Internationale Studien zeigen, dass etwa ein Drittel aller Fehlgeburten auf falsche Paarungen von Chromosomen zurückgehen. Treffen Keimzellen aufeinander, vermischen sie ihre Erbanlage, die auf zueinanderpassenden Chromosomen liegen. Manchmal aber finden sich die Partner nicht. Verena Jantsch-Plunger, Biochemikerin der Max F. Perutz Laboratories der Universität Wien, entdeckte den Mechanismus, der Chromosomen an einen "Apparat" koppelt, mit dem sie sich durch den Zellkern bewegen. Wegen der weitreichenden Bedeutung konnte Jantsch-Plunger ihre Erkenntnisse, die in einem Modellorganismus, jenem des Fadenwurms, gewonnen wurden, in einem der renommiertesten Fachmagazine, Cell, veröffentlichen.
  • Hirnforschung - Prothesen für Gelähmte: Einen kleinen Schritt in diese Richtung haben Informatiker der TU Graz in Zusammenarbeit mit dem Max-Planck-Institut für Hirnforschung getan. Sie konnten zeigen, wie das Gehirn Seheindrücke verarbeitet - nämlich viel komplexer als bisher gedacht und immer aufbauend auf früheren Erfahrungen. Die Theorie, wie neuronale Netzwerke arbeiten, hatten Informatiker um Wolfgang Maas zuvor entwickelt. Nun konnte sie durch neurobiologische Experimente getestet und bestätigt werden - eine Voraussetzung, Schnittstellen zwischen Mensch und Maschinen zu entwickeln.
  • Architektur - Wandelbarer Kunststoff: Freiformbauten von Architekten sind teuer. Das könnte sich ändern: Am Institut für experimentelle Architektur der Architekturfakultät Innsbruck hat Valentine Troi eine neue Ära der Werkstoffmodellierung eingeleitet. Sie fand ein Verfahren, mit dessen Hilfe sich ein Kunststoff-verbundmaterial in Form von Schläuchen frei formen und anschließend härten lässt. Zehn Prototypen in unterschiedlichen Maßstäben hat Troi für 2010 angekündigt (gefördert vom österreichischen Prize-Programm), darunter Modelle für Sitzmöbel oder Messestände. Ihr Highlight aber ist die Fassadenkletterwand für Pflanzen, bei der sie die Bewässerung in die Schläuche integriert hat.
  • Ingenieurwesen - Silicium für den Akku: Die ganze Welt spricht von energieeffizienteren neuen Antriebsmöglichkeiten für Autos, aber auch Handys oder Notebooks. Beispielhaft für diese Forschung stellen wir hier einen neuen, leistungsfähigen Energiespeicher vor. Forscher des Instituts für Chemische Technologie von Materialien an der Technischen Universität Graz haben ein Verfahren entwickelt, das Silicium für Lithium-Ionen-Batterien nutzbar macht. Bislang spendete Grafit die notwendigen Elektronen. "Silicium verfügt jedoch über eine zehnmal höhere Speicherfähigkeit", sagt Entwickler Stefan Koller.
  • Geoforschung - Eine Sache der Superlative: Vor 635 Millionen Jahren herrschte eine Supereiszeit auf der Erde. Doch innerhalb weniger tausend bis zehntausend Jahre kam es zum Supertreibhaus. Christoph Spötl von der Fakultät für Geowissenschaften und seine Kollegen fanden in Gesteinsproben von Spitzbergen des Rätsels Lösung: Große Mengen eingelagerten Kohlenstoffs zeugen von Kohlendioxid, das durch Vulkanausbrüche in die Luft geschleudert, jedoch nicht wieder verbraucht wurde. So kippte das Klima plötzlich um. Christian Köberl, künftiger Direktor des Naturhistorischen Museums Wien, zeigte, dass nach dem Meteoriteneinschlag, der den Bosumtwi-Krater schuf, innerhalb weniger Minuten ein Berg von zwei Kilometer Durchmesser und 1,5 Kilometer Höhe aus dem Boden wuchs.
  • Pharmaforschung - Kampf gegen den Keim: Im Jahr 2007 starben in Europa 25.000 Menschen an Erregern, gegen die jedes Mittel wirkungslos wurde. Neue Antibiotika sind dringend notwendig. Am Institut für Pathologie (IMP) konnte Tim Clausen einen unbekannten Signalweg bei Bakterien identifizieren, der sie gegen Umweltstress schützt. Dieser Signalweg könnte ein Ansatzpunkt für neue Antibiotika sein. Aufsehen erregte Thomas Magauer vom Institut für Organische Chemie der Uni Wien. Er fand ein Verfahren, wie sich ein antibiotischer Wirkstoff aus pilzähnlichen Bakterien herstellen lässt. Ähnlich wie bei Penicillin können aus dieser Leitstruktur hunderte neue Verbindungen abgeleitet werden. Die Arbeit wurde mit dem Prädikat "very or highly important paper" ausgezeichnet.
  • Archäologie - Eine Reise ins alte Ägypten: Das Jahr 2009 stand ganz im Zeichen des alten Ägypten. Manfred Bietak vom Institut für Ägyptologie entdeckte das älteste ägyptische Keilschriftdokument aus der Zeit der Hyksos-Chian-Dynastie, die im 17. Jahrhundert vor Christus über Ägypten herrschte. Es belegt weitreichende Beziehungen der Hyksos. Frederico Morelli hingegen grub sich durch die Papyrussammlung der Österreichischen Nationalbibliothek. Er entdeckte ein neues, bislang nicht als zusammengehörig erkanntes Archiv von Papyrustexten, das aus den letzten Jahren der byzantinischen Herrschaft über die Ägypter stammt und das erste authentische Quellenmaterial aus der Zeit der arabischen Expansion ist.
  • Pharmaforschung - Auf dem Weg zu Aspirin 2.0: Andreas Kungl vom Institut für Pharmazeutische Wissenschaften der Universität Graz hat 2009 eine neue Generation von Entzündungshemmern erforscht. Im Rahmen einer internationalen Forschungsgruppe konnte er zeigen, wie die antikörperbildenden weißen Blutkörperchen von den Entzündungsbotenstoffen aktiviert werden - und das betroffene Gewebe bekämpfen. Dabei schließen sich mehrere dieser Chemokine zu einem Komplex zusammen, binden sich an die weißen Blutkörperchen und geben damit das Signal zur Mobilisierung. Den Forschern gelang es, einen dieser Chemokinkomplexe zu zerstören und die entzündliche Reaktion zu stoppen. "Wir hoffen, den Ansatz in den nächsten fünf Jahren im Menschen zu erproben", so Kungl. (Edda Grabar//DER STANDARD, Printausgabe, 13.01.2010)