Bild nicht mehr verfügbar.

LH Dörfler (li.) hält Haider bei der Ortsafelverschiebung die Stange, weil er damals laut Klagenfurter Staatsanwaltschaft mangels juristischer Ausbildung die "rechtliche Tragweite seines Tuns nicht abschätzen konnte".

Foto: APA

Bild nicht mehr verfügbar.

Eine ähnliche Deutung für Fekters Verrückungspläne im Asylgesetz scheidet wohl aus.

Foto: APA

Maria Fekter ist Juristin. Das unterscheidet sie vom Kärntner Landeshauptmann. Wenn der ein paar Tafeln verrückt und womöglich gegen Gesetz und Verordnung verstößt, wird ihm zugestanden, die rechtlichen Implikationen seines Handelns nicht zu verstehen. Wenn Dr. jur. Maria Fekter Vorschläge zu einer "Anwesenheitsverpflichtung" von Asylwerbern in die Diskussion wirft, sollte man dagegen erwarten, dass sie weiß, wovon sie spricht - und eigentlich auch, dass sie sich präzise ausdrückt.

Zumindest den Vorwurf mangelnder Präzision bei einem sehr heiklen Thema muss sich Ministerin Fekter aber gefallen lassen. Unter ihrer "Anwesenheitsverpflichtung" kann nämlich zweierlei verstanden werden: entweder es handelt sich um eine (weitere) Verschärfung der Mitwirkungspflicht von Asylwerbern, nach dem Motto: Wenn du uns in der Erstaufnahmestelle nicht ein paar Wochen hindurch ständig zur Verfügung stehst, stellen wir dein Verfahren ein, und zwar subito. Das würde keinen Asylwerber daran hindern, ein Erstaufnahmezentrum trotzdem zu verlassen, er müsste halt "nur" gewärtigen, dass er damit sein eigenes Asylverfahren in den Sand setzt.

Man könnte trefflich darüber streiten, ob das sinnvoll wäre, jedenfalls lässt sich sagen: eine Mitwirkungsverpflichtung, die bloß mit solchen verfahrensrechtlichen Konsequenzen "bewehrt" wird, ist keine Freiheitsbeschränkung. Ob so etwas verängstigte Anrainer von Erstaufnahmestellen beruhigen könnte, bleibe dahingestellt.

Fekters Vorstoß hat für viele allerdings deutlich anders geklungen, nämlich nach der Idee, diese Verpflichtung zur Anwesenheit mit Polizeizwang durchzusetzen. Das hieße, Asylwerber mit Zwang am Verlassen des Erstaufnahmezentrum zu hindern, oder, was gleichbedeutend wäre, ihnen im Fall, dass sie trotzdem weggehen, Festnahme und Haft anzudrohen. Und das wäre allerdings ein Freiheitsentzug.

Nicht anders hat das übrigens der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR)) gesehen. In seiner von Fekter ins Treffen geführten Entscheidung ("Saadi vs. United Kingdom") wird nie in Abrede gestellt, dass dem Beschwerdeführer die Freiheit entzogen war. Fraglich war nur, ob das für die Dauer einer Woche gerechtfertigt war - was der EGMR, auch angesichts der Dauer von bloß sieben Tagen, bejahte.

Genau diese mit Polizeizwang durchgesetzte Anwesenheitspflicht für Asylwerber gab es schon einmal, und der Verfassungsgerichtshof hat sie 1992 für unzulässig erklärt.

Seinerzeit erlaubte das Asylgesetz, Asylwerber zum Aufenthalt in einer "Überprüfungsstation" in Traiskirchen zu verpflichten. Diese Bestimmung - die stark an Fekters aktuellen Vorschlag erinnert - war durch das österreichische Verfassungsgesetz zum Schutz der persönlichen Freiheit einfach nicht gedeckt und daher verfassungswidrig.

Jetzt ist das, zugegeben, schon recht lange her, und Maria Fekter war damals zwar schon Dr. iur, aber noch nicht Innenministerin. Diese Entscheidung musste ihr also nicht gleich geläufig sein. Ein einfacher Blick in das öffentlich zugängliche und gerade JuristInnen sehr gut vertraute "Rechtsinformationssystem (RIS) des Bundes" hätte aber genügt, um auf dieses Erkenntnis (Geschäftszahl G 142/92 u. a.) zu stoßen.

Mehr als ein Stück Blech

Will Fekter das wirklich noch einmal probieren? Wir wissen es nicht. Ihr Hinweis, dass Asylwerber sich innerhalb einer solchen Station frei bewegen können hilft uns auch nicht weiter: In österreichischen Strafgefangenhäusern ist es für eine große Zahl von Häftlingen üblich, dass sie sich zumindest tagsüber relativ frei innerhalb des Hauses bewegen dürfen. Niemand würde deshalb bezweifeln, dass sie trotzdem gefangen sind. Denn an der fehlenden Möglichkeit des Verlassens und nicht etwa an der freien Bewegung innerhalb eines Gefängnisses bemisst sich ein Freiheitsentzug.

Auch das ist ständige Judikatur aller Gerichtshöfe.

Für eine mit Polizeigewalt durchgesetzte Anwesenheitspflicht bräuchte man deshalb nicht nur etliche Beamte mehr für Polizeikordons rund um alle Erstaufnahmezentren, man müsste vor allem das Grund- und Menschenrecht auf persönliche Freiheit für eine ganze Gruppe von Menschen radikal einschränken. Daraus erklärt sich auch die heftige innenpolitische Reaktion. Fekters Vorstoß hat nämlich - gewollt oder ungewollt - bei vielen den Eindruck hinterlassen, genau das wäre geplant, und sei es nur, weil sie sich so unpräzise ausgedrückt hat.

Dass mit den Grundbausteinen unserer Rechtsordnung aus tagespolitischer Not heraus so sorglos umgegangen wird, ist bedauerlich. Von Kärntens oberstem Ortstafelverrücker dürfen wir derartiges getrost weiterhin erwarten. Wer als Juristin nicht müde wird, die Befolgung von Gesetz und Verfassung einzumahnen, sollte aber - auch in der politischen Diskussion - mit dem Grundrecht auf Freiheit präziser und vorsichtiger umgehen als mit einem Stück Blech, auf dem ein Ortsname steht. (Georg Bürstmayr*, DER STANDARD Printausgabe, 13.01.2010)