Claudia-Elisabeth Wulz vor einem LHC-Experiment.

Foto: Hephy

40 Millionen Protonen-Kollisionen pro Sekunde: Da kann niemand mit freiem Auge erkennen, welche dieser Ereignisse wissenschaftlich verwertbar sind. Deswegen haben die mit dem Teilchenbeschleuniger Large Hadron Collider (LHC) beschäftigten Cern-Wissenschafter ein Trigger-System entwickelt, das jede Kollision analysiert und pro Sekunde hundert für die Forschung interessante herausfiltert. Ein intelligentes Kernstück des LHC: Wenn hier etwas nicht funktioniert, wenn irrtümlich gute Daten verworfen werden, dann geht die Basis für die erhofften Antworten auf jene Fragen verloren, die sich Teilchenphysiker seit vielen Jahren stellen: Gibt es das bisher nur theoretisch angenommene, für die Masse verantwortliche Higgs-Teilchen? Wie war die Materie unmittelbar nach dem Urknall zusammengesetzt?

"Ich bin aufgrund der Anzeichen überzeugt, dass wir diese Antworten finden werden und danach ein neues Standardmodell der Physik brauchen", sagt die 1960 geborene Villacherin Claudia-Elisabeth Wulz, stellvertretende Leiterin des Trigger-Projekts im Rahmen eines der insgesamt fünf Experimente, die im Teilchenbeschleuniger durchgeführt werden (CMS, Compact Muon Solenoid).

Seit beinahe 28 Jahren ist die Absolventin der Technischen Physik an der TU Wien mit dem Genfer Kernforschungszentrum Cern verbunden. Anfangs als Sommerstudentin, später auch als Fellow über das Postdoc-Programm des Wissenschaftsministeriums. In der ersten Hälfte der 1980er-Jahre arbeitete sie auch am sogenannten UA1-Projekt des Physik-Nobelpreisträgers Carlo Rubbia mit. Dabei wurden die W- und Z-Teilchen, die Vermittler der schwachen Wechselwirkung, entdeckt, was dem späteren Cern-Direktor Rubbia den Nobelpreis einbrachte.

Was macht Wulz, mittlerweile Vorstandsmitglied am Institut für Hochenergiephysik der Österreichischen Akademie der Wissenschaften, so sicher, dass der LHC revolutionäre Ergebnisse zutage bringen wird? "Angesichts der frei werdenden Energiemenge müssen sich für die Wissenschaft neue Erkenntnisse ergeben", sagt die zweifache Mutter. "Es wird aber noch ein steiniger Weg."

Wulz bezeichnet sich selbst angesichts dieser Erwartungen als "neugierig wie am Beginn meines Studiums". Schon in ein bis zwei Monaten soll die erste Publikation veröffentlicht werden, die am LHC-Vorgänger Super Proton Synchrotron gemessene Ergebnisse bestätigen wird. In ein bis zwei Jahren erwartet sie "neue Physik".

Die Physikerin, die nun zur Femtech-Expertin des Monats gewählt wurde, ist begeisterte Amateurfunkerin. Auch privat ist sie mit dem Cern verbunden: Ihr Lebensgefährte ist Elektroingenieur des Kernforschungszentrums. "Wir haben uns aber nicht am Cern, sondern am Bahnhof Genf kennengelernt." Romantik in der Teilchenphysik. (Peter Illetschko/DER STANDARD, Printausgabe, 13.01.2010)