Berlin - Die seit der Finanzkrise in der Kritik stehenden Rating-Agenturen sollen in Deutschland schärferen Regeln unterworfen werden. In besonders schweren Fällen müssen die Agenturen, die die Kreditwürdigkeit von Unternehmen, Finanzprodukten sowie von Staatsschuldnern bewerten, mit Strafgeldern bis zu einer Million Euro rechnen. Einen entsprechenden Gesetzentwurf beschloss die deutsche Regierung bei ihrer Kabinettssitzung am Mittwoch.

Die schwarz-gelbe Regierung setzt damit EU-Vorgaben um. Diese zielen auf mehr Transparenz bei den Rating-Agenturen und die Vermeidung von Interessenskonflikten.

Die einflussreichen Rating-Agenturen waren wegen ihrer Bewertungen umstrittener Finanzkonstrukte in Zusammenhang mit der US- Immobilienkrise weltweit in die Kritik geraten. Die Politik warf den Bewertungsgesellschaften vor, zu spät reagiert zu haben.

Kritiker sehen zudem einen Interessenkonflikt, weil die Agenturen Berater für Finanzprodukte gewesen seien und diese zugleich bewerteten. Die Agenturen bestritten den Konflikt. Der Markt wird von den drei US-Agenturen Standard & Poor's, Moody's und Fitch beherrscht.

Die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) soll zunächst für die nationale Aufsicht zuständig sein. Die Agenturen sollen zur Finanzierung der BaFin beitragen. Im Rahmen der neuen europäischen Aufsichtsstrukturen soll die Überwachung zum 1. Jänner 2011 auf die neue Wertpapieraufsichtsbehörde (ESMA) übergehen.

Bußgeld

Als "besonders schwerwiegend" mit einem Bußgeld von bis zu einer Million Euro gilt nach dem Gesetzentwurf, wenn eine Rating-Agentur eine Bonitäts-Bewertung abgibt, obwohl ein Interessenskonflikt vorliegt und sie ein Unternehmen "oder einen verbunden Dritten" sowohl berät als auch bewertet. Diese Strafe soll auch gelten, wenn eine Agentur bei anderen Methoden, Modellen oder grundlegend anderen Annahmen keine neue Bewertung vornimmt. Das Höchst-Bußgeld droht zudem, wenn trotz fehlender verlässlicher Daten nicht auf eine Bewertung verzichtet oder die Benotung nicht zurückgezogen wird. Bei übrigen Verstößen beträgt der Bußgeldrahmen bis zu 200 000 Euro.

Die BaFin bekommt das Recht, auch ohne konkreten Anlass Rating-Agenturen und mit ihnen verbundene Unternehmen durch unabhängige Wirtschaftsprüfer kontrollieren zu lassen. "Überraschende Stichproben müssen möglich sein", heißt es im Gesetzentwurf. Auch wird die Tätigkeit der Agenturen einmal jährlich unter die Lupe genommen.

Bei schweren Verstößen muss die Aufsicht unverzüglich informiert werden. BaFin-Maßnahmen greifen sofort: "Dies ist für die Gefahrenabwehr auf den Finanzmärkten geboten, da hier in kurzer Zeit sehr hohe Schäden für Dritte entstehen können." Widerspruch und Anfechtungsklagen haben keine aufschiebende Wirkung.

Vorbehaltlich der konkreten Ausgestaltung der europäischen Aufsicht müssten die mit dem Gesetzentwurf vorgesehen Änderungen voraussichtlich mit dem Übergang der Befugnisse auf die ESMA "zum großen Teil wieder außer Kraft gesetzt werden", heißt es weiter. Dennoch gebe es keine Alternative zu dem Gesetzentwurf. Denn Rating-Agenturen müssten sich bei der BaFin registrieren lassen und schon von diesem Juni an ihre Zulassungsanträge stellen können. (APA)