Wien - Nach einem turbulenten Jahr macht das Wiener Wiesenthal Institut für Holocaust-Studien (VWI) den ersten Schritt in Richtung Vollbetrieb. Im Februar soll mit der Digitalisierung von zur Verfügung gestellten Dokumenten der Israelitischen Kultusgemeinde Wien (IKG) begonnen werden. Im vergangenen Jahr war es zu einem Streit zwischen IKG-Präsident Ariel Muzicant und dem Gründungsleiter des Instituts, Anton Pelinka, gekommen, was letztendlich zum Rücktritt des alten Vorstands und eines Teils des wissenschaftlichen Beirats geführt hatte. Nun seien alle Irritationen beseitigt, betonte der neue VWI-Vorsitzende, Georg Graf, in einer Pressekonferenz am Dienstag.

Irritationen

Im Sommer war es zum Streit mit der IKG gekommen, was die Nutzung deren Archivs für Forschungszwecke betrifft. Pelinka hatte Muzicant vorgeworfen, den Zugang zu blockieren, was der IKG-Präsident seinerseits zurückwies. Nach der Bestellung eines neuen Vorstands, dem auch drei zuvor zurückgetretene Mitglieder angehören, kam es Mitte Dezember dann doch zur Vertragsunterzeichnung. Zwar stellt die IKG nun nicht ihr gesamtes Archiv zur Verfügung, allerdings alle "Holocaust-relevanten" Dokumente". Welche das sein sollen, werde gemeinsam mit der Kultusgemeinde entschieden, sagte Graf, für den sich die abschließenden Vertragsverhandlungen als "recht leicht" erwiesen haben.

Das Wiesenthal Institut will nun auch die aufgrund der Irritationen zurückgetretenen Mitglieder des wissenschaftlichen Beirats, der in diesem Jahr neu bestellt werden soll, zurück ins Boot holen. "Wir werden hoffentlich versichern können, dass das Problem gelöst ist", so Graf. Seine Stellvertreterin, Brigitte Bailer-Galanda vom Dokumentationsarchiv des Österreichischen Widerstandes (DÖW), versteht die Austrittswelle Ende des Jahres nicht: "Die Reaktionen Anfang November waren für mich als Historikerin nicht nachvollziehbar." Dass man nun alle "Holocaust-relevanten" Materialen der IKG uneingeschränkt zur Verfügung gestellt bekomme, ist für Vorstandsmitglied Bertrand Perz ebenfalls "völlig ausreichend".

Weitere Mitglieder

Nicht nur die Digitalisierung von Teilen des IKG-Archivs stellt für Graf den "ersten Schritt Richtung Vollbetrieb" dar. So solle 2010 die "wissenschaftliche und institutionelle Basis" erweitert werden, sprich, das VWI will in diesem Jahr weitere Mitglieder aufnehmen. Zugesagt habe etwa bereits die "Task Force for International Cooperation on Holocaust Education" (ITF), der 27 Mitgliedsstaaten angehören. Gespräche gebe es zudem mit dem an der Universität Salzburg angesiedelten Zentrum für Jüdische Kulturgeschichte (ZJK). Weiters geplant sind für dieses Jahr mehrere wissenschaftliche Veranstaltungen.

Neuer Geschäftsführer des VWI ist der Zeithistoriker Bela Rasky, der laut Graf "internationale Erfahrung" mitbringt. Das Großteils von Bund und Gemeinde Wien finanzierte Wiesenthal Institut soll ab 2012 seinen Vollbetrieb im Palais Strozzi in der Wiener Josefstädterstraße aufnehmen. (APA)