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Ultra-Nationalist Vojislav Seselj.

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Belgrad/Den Haag - Der wegen Kriegsverbrechen angeklagte serbische Ultra-Nationalist Vojislav Seselj kämpft um das politische Überleben seiner Serbischen Radikalen Partei (SRS). Laut Medienberichten vom Mittwoch hat Seselj, der sich seit sieben Jahren im Gefängnis des UNO-Kriegsverbrechertribunals für das ehemalige Jugoslawien (ICTY) im niederländischen Scheveningen befindet, zum ersten Mal eine Genehmigung beantragt, sich telefonisch an Journalisten in Belgrad wenden zu dürfen. Die Tribunalsanklage und deren Sekretariat sollen sich bis Freitag dazu äußern.

Seselj, gegen den seit Ende 2007 ein Verfahren wegen Kriegsverbrechen in Kroatien, Bosnien-Herzegowina und der nordserbischen Provinz Vojvodina läuft, nutzte die am 24. Jänner stattfindende Kommunalwahl in der Vojvodina-Kleinstadt Odzaci als Anlass für seinen Antrag. Seine SRS, jahrelang stärkste Parlamentspartei Serbiens, sieht sich seit Herbst 2008 mit starken Popularitätsverlusten konfrontiert. Damals löste sich De-Facto-SRS-Chef Tomislav Nikolic von Seselj und gründete die Serbische Fortschrittliche Partei (SNS).

Am absteigenden Ast

Im Belgrader Parlament haben die Ultra-Nationalisten derzeit zwar noch 58 von insgesamt 250 Mandaten. Mehrere Gemeindewahlen haben allerdings gezeigt, dass die Partei, die noch vor zwei Jahren auf gut ein Drittel der Stimmen kam, derzeit nur noch mit wenigen Prozentpunkten rechnen kann.

Seselj, der sich im Februar 2003 dem UNO-Tribunal stellte, hat auch im Gefängnis nie auf die Parteiführung bei der SRS verzichtet und in den vergangenen Jahren auch jede wichtigere Parteientscheidung mitbestimmt. Auf seine Anweisung hin haben die SRS-Abgeordneten die Arbeit des serbischen Parlamentes monatelang behindert. Nach Ansicht von Beobachtern in Belgrad hat Seselj mittlerweile aber den Bezug zur Realität verloren.

Serben sind Seseljs müde

Die ultra-nationalistischen Parolen seiner Parteifreunde wie etwa die Forderung gegen jede Zusammenarbeit mit den EU-Staaten kommen derzeit bei den serbischen Bürgern offenbar nicht mehr so gut an wie früher. Auch die Bücher, welche Seselj in seiner Gefängniszelle weiterhin wie am Fließband produziert, vermögen daran nichts zu ändern. Wegen der Enthüllung der Identität von drei geschützten Zeugen wurde der SRS-Chef im Vorjahr vom UNO-Tribunal in einem separaten Verfahren zu 15 Monaten Haft verurteilt.

Am gestrigen Dienstag wurde nach elfmonatiger Pause das Hauptverfahren gegen Seselj fortgesetzt. Nach einem letzten Zeugen der Anklage sollen auch sechs Zeugen des Richtersenats angehört werden, bevor der angeklagte Politiker die Gelegenheit bekommt, seine Verteidigung zu präsentieren. Verzichtet er darauf, wie angekündigt, dürfte ein Urteil vor Jahresende vorliegen.

Enger Milosevic-Getreuer

In den frühen 90er Jahren war Seselj mit seinen ultra-nationalistischen Tiraden und Groß-Serbien-Projekten immer wieder als Sprachrohr des damaligen serbischen Präsidenten Slobodan Milosevic aufgetreten. Eine Regierungskoalition hatten die beiden Politiker allerdings erst während des Kosovo-Krieges 1998 beschlossen. Beide wurden vom UNO-Tribunal angeklagt. Der Prozess gegen den Ex-Präsidenten wurde nach Milosevics Tod vor knapp vier Jahren allerdings eingestellt. Seiner Sozialistischen Partei (SPS) war es vor eineinhalb Jahren gelungen, im Bündnis mit der Demokratischen Partei des heutigen serbischen Präsidenten Boris Tadic ein Regierungs-Comeback zu feiern. (APA)