Als erstes asiatisches Land, als erste ehemalige Sowjetrepublik und als erster überwiegend muslimischer Staat hat Kasachstan die Verantwortung für die Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) übernommen. Die weltgrößte Organisation zur Verteidigung von Menschenrechten wird damit zum ersten Mal in ihrer Geschichte von einem despotischen und antidemokratischen Regime geführt. Kasachstans Vorsitz untergräbt die fundamentalen Prinzipien der OSZE.

In ihrer Entschlossenheit und Grausamkeit sind Kasachstans Verstöße gegen die Menschenrechte mittlerweile den Verbrechen in Simbabwe und Burma ebenbürtig. Die Tatsachen sprechen für sich: Prominente Oppositionsführer wie Altunbek Sarsenbajew wurden von Sonderkräften des Geheimdienstes KNB umgebracht (die Haupttäter wurden im Herbst 2006 zu lebenslangen Haftstrafen verurteilt, Anm. d. Red.) Staatschef Nursultan Nasarbajew änderte die Verfassung und machte sich selbst zum Präsidenten auf Lebenszeit, nachdem die anderen 55 Mitgliedsstaaten der OSZE ihre prinzipielle Zustimmung zum Vorsitz Kasachstans für das Jahr 2010 gegeben hatten. Das kürzlich veröffentlichte dokumentarische Buch des früheren kasachischen OSZE-Botschafters und ehemaligen Geheimdienstchefs Rakhat Alijew bestätigt zudem die Tatsache, dass die Präsidentschaftswahlen massiv gefälscht werden. Das macht das Regime illegitim, aber immer noch akzeptabel für den Vorsitz der OSZE.

Kasachstans Journalisten arbeiten in einem Klima der Angst, sie sind mit einschüchternden Gerichtsverfahren konfrontiert, persönlichen Bedrohungen und physischen Angriffen. Vor vier Monaten erst wurde Ramazan Yesergepow, mein Freund und der Herausgeber der Oppositionszeitung Almaty Info, ins Gefängnis geworfen, weil er über die antidemokratischen Methoden und Aktivitäten des Geheimdiensts berichtet hatte. Öffentliche Versammlungen werden äußerst streng kontrolliert, politisch motivierte Treffen erhalten keine Genehmigung und werden von der Polizei aufgelöst. Der Report des Sonderberichterstatters der Uno für Folter 2009 bestätigt offiziell die vom Staat gebilligte Praxis der Folter in Kasachstan.

Auch mehr als drei Jahre nach dem Gründungskongress am 27. Oktober 2006 versagt Präsident Nasarbajew unserer Partei Atameken die vollständige Zulassung. Der archaische Grund dafür ist meine Weigerung, ihm einen geheimen persönlichen Loyalitätseid auf dem Koran zu leisten und damit seine Marionette zu werden, um das kasachische Volk und die öffentliche Meinung im Westen für dumm zu verkaufen. Die Verfassung sieht ein solches Vorgehen nicht vor. Meine Partei weigert sich, eine pseudodemokratische Rassel in der Hand des Diktators zu werden. Deshalb wird sie auch nicht offiziell registriert. Meine Familienangehörigen in Kasachstan sind Geiseln geworden, damit man mich kontrolliert, meine Meinungsäußerungen, mein politisches Handeln.

All diese Tatsachen beweisen einen genetischen Widerwillen des Regimes von Nasarbajew, Kasachstan in eine wirkliche demokratische Gesellschaft zu wandeln. Die US-amerikanischen und europäischen Politiker, die die Entscheidung trafen, Kasachstan den Vorsitz der OSZE zu gewähren, waren sich dieser Tatsachen bewusst. Sie waren deshalb unaufrichtig, wenn sie öffentlich behaupteten, der OSZE-Vorsitz würde zum Prozess der Demokratisierung Kasachstans beitragen.

Meine Kollegen und ich fühlen uns von den USA und Europa verraten. Wir sind überzeugt, dass sich das despotische Regime die Entscheidung für den OSZE-Vorsitz durch Petrodollars erkauft hat, um sein Fortleben zu sichern und um weiter gegen die noch verbliebenen Oppositionellen vorzugehen.

Nach der kurzsichtigen Zustimmung des Westens für den Diktator Nasarbajew, muss Europa nun standhafte Unterstützung für die demokratischen Kräfte in Kasachstan zeigen, die letzte Hoffnung für die gesamte zentralasiatische Region. Oder aber das Risiko der Wiederauferstehung von Diktatoren in Kauf nehmen, die dem Westen in der Vergangenheit schon so viel Blut und Geld gekostet haben. (Yerzhan Dosmukhamedow, DER STANDARD, Printausgabe, 14.1.2010)