Bild nicht mehr verfügbar.

Wiederhergestellt: Silvio Berlusconi bei seiner Rückkehr nach Rom, umringt von begeisterten Fans. Vor Wochen wurde er in Mailand niedergeschlagen und verletzt.

Foto: APA/EPA/Schiavella

Er will sich endlich seiner Prozesse entledigen und löst damit die gewohnten Streitereien im Parlament aus.

*****

Einen Monat nach der Wurfattacke von Mailand zeigt sich Silvio Berlusconi wieder in Hochform. Nach seiner Rückkehr nach Rom schüttelte der Premier Passanten die Hände, ließ sich mit jungen Paaren fotografieren und versicherte erfreuten Anhängern, der Angriff von Mailand sei "weniger folgenschwer gewesen als die Attacken der Richter" auf ihn.

Während seiner Genesung hatte der Cavaliere ungewohnt zahm an die Opposition appelliert, "wichtige Reformen gemeinsam anzupacken" . Doch als die Regierung am Dienstag im Senat plötzlich ein Dringlichkeitsdekret aus dem Ärmel zauberte, um den Premier von seinen Prozessen zu befreien, schlug das angekündigte Tauwetter wieder in Eiszeit um. Turbulente Protestszenen zwangen den Präsidenten zum Abbruch der Sitzung. Auch sonst war alles wieder beim Alten. Mit Jubel begrüßte die Opposition eine erneute Abstimmungsniederlage der Regierung, und Kammerpräsident Gianfranco Fini warf seinem Koalitionspartner Silvio Berlusconi vor, "dem Parlament die Tagesordnung zu diktieren" .

Angesichts der Proteste und der Irritation des Staatspräsidenten ließ die Regierung vorerst den Plan fallen, eine Entscheidung des Verfassungsgerichts für eine neue Lex Berlusconi zu nutzen. Das vor vier Wochen gefällte Urteil gewährt Angeklagten die Möglichkeit, zum Überdenken ihrer Verteidigungsstrategie und zur Beantragung von Schnellverfahren eine Prozesspause zu fordern. Zu deren Dauer äußerten sich die Richter nicht. Das Urteil sei auch ohne Dekret der Regierung "unmittelbar anwendbar" , versicherte Berlusconi nach dem Ministerrat am Mittwoch.

Richter: "Verhängnisvoll"

Zusätzlich bastelt das Parlament im Eiltempo an zwei weiteren maßgeschneiderten Gesetzen. Bereits am nächsten Mittwoch will der Senat die umstrittene Kürzung der Prozessdauer beschließen, die der Richterbund als "verhängnisvoll" kritisiert. "Viele Delinquenten werden straflos bleiben" , warnte Präsident Luca Palamara und ersuchte die Regierung, eine "seriöse Justizreform" zu verabschieden, die sich nicht an Einzelinteressen ausrichte.

Die Abgeordnetenkammer arbeitet gleichzeitig an einer Regelung, die Inhaber der höchsten Staatsämter für 18 Monate von allen Gerichtsterminen befreit. Auch ein Gesetzentwurf zur Einführung der Immunität liegt bereits im Parlament. In den Prozessen wegen Korruption und Steuerbetrug hat das Mailänder Gericht in der zweiten Monatshälfte vier Verhandlungstage angesetzt. Am 25. Jänner soll der Premier erstmals selbst vor Gericht erscheinen. Dann soll ein neues Gesetz Berlusconi im Wahlkampf für die bevorstehenden Regionalwahlen vor weiteren unangenehmen Auftritten vor Gericht bewahren.

Indes hat die Regierung Mittwoch angesichts der hoffnungslos überfüllten Gefängnisse für den Strafvollzug den Notstand proklamiert. Die Lage in den Strafanstalten sei mit 65.000 Häftlingen "unhaltbar" , erklärte Justizminister Alfano. Die Notstandsverordnung soll Verzögerungen beim Bau neuer Gefängnisse verhindern und die rasche Einstellung von 2000 neuen Aufsehern ermöglichen. Seit Jahresbeginn haben bereits vier Häftlinge Selbstmord verübt. (Gerhard Mumelter aus Rom/DER STANDARD, Printausgabe, 14.1.2010)