Kiew/Moskau - Die Politikverdrossenheit der ukrainischen Bevölkerung hat einen neuen Höhepunkt erreicht. Da viele Ukrainer davon ausgehen, dass ihre Stimme bei der Präsidentenwahl am Sonntag sowieso nichts an der Lage in ihrem Land ändern wird, versuchen sie wenigstens Kapital aus der Wahl zu schlagen.

Auf mehreren Internetseiten, in Foren und Blogs werden Stimmen zum Verkauf angeboten. Am populärsten ist die Internetseite "Verkauf Deine Stimme" , auf der bereits mehr als 3340 Ukrainer ihre Stimme anbieten. Der Durchschnittspreis für eine Stimme beträgt knapp 900 Grywnia (rund 76 Euro).

"Ich verkaufe meine Stimme für 850 Grywnia. In der zweiten Runde gibt's einen Rabatt von zehn Prozent" , schreibt Andrej Jurewitsch auf www.prodaygolos.com.ua. Der Poster Rodion gibt es billiger, er verlangt nur eine Flasche Wodka. Auch Katrin aus Poltawa will ihre Stimme verkaufen: "Ich glaube nicht mehr an ehrliche Wahlen, so kann ich wenigstens etwas von diesem ganzen Zirkus profitieren" , schreibt sie. "Wer hier seine Stimme verkauft, der beweist, dass ihm die Zukunft des Landes egal ist" , meint dagegen ein anonymer Poster.

Der ukrainische Politologe Wadim Karasew erklärt in Zeitungsberichten, wie der Stimmenhandel ablaufen könnte. Der Käufer setzt sich mit dem Anbieter per E-mail oder Handy in Verbindung, und es wird ein Preis ausgehandelt. Der Verkäufer schickt nach der Stimmabgabe ein Foto des Stimmzettels an den Käufer, und die Summe wird überwiesen.

Inzwischen werden aber auch Zweifel an der Authentizität der Stimmenbörse laut. "Ich glaube, dass diese Webseite von Politikwissenschaftern und Soziologen für ihre Forschungen in Auftrag gegeben wurde" , schreibt Alexander. Die bisher unbekannten Initiatoren der Webseite sehen den Stimmenhandel jedoch als Form des Protests. "Unser Service ermöglicht es den ukrainischen Bürgern, ihre Beziehung zur politischen Lage im Land und zu den Präsidentschaftskandidaten auszudrücken." (Verena Diethelm/DER STANDARD, Printausgabe, 14.1.2010)